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Nele Paul - Roman

Titel: Nele Paul - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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auf einigen der Bilder die typische Familienfoto-Silhouette – Vater, Mutter, Kind.
    Nele bewegte sich träge.
    »Hey …«, murmelte sie. »Das hat aber gedauert …«
    »Hab mich mit Mor festgequatscht.«
    »Ach, schön.« Ihre Zähne blitzten kurz auf. »Du kannst ja gleich wieder runtergehen, aber leg dich bitte zu mir, bis ich eingeschlafen bin.«
    Während ich mich auszog, dachte ich an ihre Albträume. Vielleicht würde sie erst wieder ruhig schlafen können, wenn sie die Wahrheit kannte. Vielleicht spürte sie, dassetwas nicht stimmte. Gott, war mir danach, ihr alles zu erzählen. Mir fehlte ihre Meinung. Aber wer weiß, was es auslösen würde. Ich sollte gründlich nachdenken, bevor ich etwas in Gang setzte, was sich nie wieder rückgängig machen ließ. Vielleicht waren Kinder nicht die Einzigen, die man schützen musste. Vielleicht … oder auch nicht. Scheiße. In meinem Kopf war alles Chaos.
    Ich rutschte unters Laken. Sie kuschelte sich an mich, legte ihr Gesicht auf meine Brust und schob die Ferse an ihren Platz.
    »Wie fandst du das Bild?«
    »Süß.«
    Ich spürte ihr Lächeln.
    »Ich hatte erst ein anderes im Sinn, aber ich weiß ja nicht, wo du dein Handy so rumliegen lässt …« Sie wollte noch was sagen, gähnte dann aber mittendrin. »Habt ihr euch gut unterhalten?«
    Gut unterhalten … Gute Unterhaltung …
    »Ich hab sie noch mal bearbeitet mitzukommen.«
    »Und?«
    »Glaub nicht.«
    »Wir kriegen sie schon noch rum.«
    »Vielleicht. Schlaf schön, Süße.«
    »Wolltest du mir nicht noch etwas sagen?«
    Ich erstarrte.
    »Was?«
    »Du hast es am Telefon versprochen, schon vergessen?«
    »Was denn …? Ach so. Ich liebe dich.«
    »Die pure Leidenschaft …«, gickelte sie.
    »Bin müde. Träum was Schönes.«
    »Von dir«, sagte sie und drückte mir einen Kuss auf den Hals.
    Dann lagen wir ruhig da. Schweigen machte sich breit. Draußen auf den Feldern war es heute still. Ich schloss die Augen, musste sie aber wieder öffnen, weil das Chaos inmeinem Kopf sofort zunahm. Mein Vater. Gott. Wie häufig hatte ich Nele beneidet, dass sie wenigstens noch gute Erinnerungen an ihre Mutter hatte.
    »Kannst du nicht schlafen?«
    Ich drehte Nele mein Gesicht zu. Im schwachen Mondlicht wirkten ihre Augen groß und schwarz.
    »War schon halb dabei«, log ich.
    Nach einem Augenblick stemmte sie sich auf einen Ellbogen und musterte mich.
    »Du warst schon den ganzen Tag so komisch. Erzähl es mir.«
    Das Mitgefühl und die Liebe in ihrer Stimme zerrten an mir. Ich biss mir auf die Lippen. Die Worte lagen mir auf der Zunge. Aber ich wusste einfach nicht, was richtig war. Schweigen … Reden … Lügen … Mein Vater … Neles Mutter … Nele im Schrank … scheiße. Der Tag brach mit voller Wucht über mir zusammen. Etwas Warmes rollte mir über die Wange und fiel aufs Bettlaken. Nele rutschte näher und legte mir eine Hand auf die Wange.
    »Hey, Baby, du weinst ja …«
    Ich presste mein Gesicht an ihren warmen Hals. Nele streichelte meinen Kopf.
    »Paul«, flüsterte sie, »sag mir, was dich bedrückt.«
    »Mein Vater …«, begann ich und musste ein paarmal durchatmen, bevor ich weitersprechen konnte, »… war wieder hier.«
    »Wann?«
    »Als ich zehn war. Mor hat es mir verschwiegen.«
    Sie küsste mich aufs Haar und streichelte meinen Kopf.
    »Sie wollte dich beschützen. Keine Mutter schaut einfach zu, wie ihr Kind verletzt wird …«
    Nele verstummte. Ihre Hand blieb regungslos auf meinem Kopf liegen. Ich nickte an ihrem Hals.
    »Ich weiß«, flüsterte ich.
    Sie rutschte tiefer und sah mir in die Augen.
    »Willst du ihn sehen?«
    »Weiß nicht.«
    Ich schloss die Augen.
    »Baby, ich glaube, ich würde es gut finden, wenn du ihn mal triffst. Du denkst schon so lange an ihn, aber du weißt ja eigentlich nichts von ihm. Vielleicht wäre es gut, ihn mal zu besuchen und Klarheit zu kriegen. Ist doch viel besser, wenn du all das, was dir seit Jahren im Kopf herumgeht, mal loswerden kannst, und wer weiß, was passiert. Ich meine, er ist dein Vater.«
    »Bin müde.«
    »Gut«, sagte sie leise. »Ich will nur, dass du weißt, dass du ihn nicht alleine besuchen musst. Wenn du möchtest, komme ich mit und warte draußen. Du musst nie wieder was alleine machen, wenn du nicht willst.«
    Nie wieder.
    »Danke«, flüsterte ich.
    »Gern. Schlaf schön.«
    Sie drückte ihre Lippen auf meine. Wir küssten uns sanft und dann noch mal nachdrücklicher. Sie schob ihre Zungenspitze zwischen meine Lippen, und von einer

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