Nele Paul - Roman
passiert.«
Er sah mich aufmerksam an.
»Ja.«
»Ich will mein Leben mit Nele verbringen und sie beschützen, aber ich kann nicht. Irgendwas ist mit ihr, und mein Gefühl sagt mir, dass ich sie im Stich lasse, wenn ich es nicht herausfinde. Wusstest du, dass sie seit dem Tod ihrer Mutter Albträume hat?«
»Das tut mir leid.«
»Und heute Abend erfahre ich so nebenbei, dass es zwei Versionen vom Unfallhergang gibt und du die offizielle mitgestrickt hast. Das bedeutet, dass du mich vor ein paar Tagen belogen hast.«
Er sah wieder zu Boden.
»Ich stelle dir jetzt ein paar Fragen zum Ablauf jenes Abends, und ich bitte dich, verarsch mich nicht.«
Er nickte, ohne aufzusehen.
»Hatte Neles Mutter Nele wirklich auf dem Arm, als sie verunglückte?«
»Ja.«
Ich atmete durch.
»Gibt es dafür Beweise?«
»Herr Reichenberger hat das gesagt.«
»Laut seiner eigenen Zeugenaussage hat er aber geschlafen, als es passierte. Kann Nele nicht von dem Krach wach geworden und erst dann zu ihrer Mutter gegangen sein?«
Er hob seinen Kopf und sah mich ratlos an.
»Äh … Weiß ich nicht. Wäre möglich.«
Ich stand auf, trat näher und setzte mich auf den Sessel vor ihm.
»Okay. Dann erzähl mir mal haargenau, was an dem Abend passiert ist, und zwar von Anfang an.«
»Ich bekam einen Anruf von Bernd, dass …«
»Bernd wer?«
»Koppelmann. Kennste nicht, der war schon in Rente, als du dazukamst.«
»Okay, weiter.«
»Er rief mich an und sagte, dass es bei den Reichenbergers einen Unfall gegeben habe und ich hinkommen solle. Ich zog mich an und …«
»Warte mal. Er hat dich zu Hause angerufen?«
Sein Blick zuckte kurz zu mir hoch, er zog den Kopf ein und starrte wieder zu Boden.
»Ja, ich hatte Feierabend.«
»Wieso ruft er dich an, wenn du nicht im Dienst bist?«
»Ich glaube, er wollte seinen Partner dabeihaben. Früher im Außendienst hast du doch auch nichts ohne Rokko unternommen.«
»Glorreiche Zeiten«, murmelte Rokko an der Tür.
Ich behielt Telly im Blick.
»Wenn ihr ein Team wart, hattet ihr doch die gleiche Schicht, also hatte Koppelmann auch schon dienstfrei.«
Telly zog die Schultern hoch. Der Bademantel verrutschte und gab seine knochigen Knie frei.
»Ja, sicher.«
Mein Herz klopfte schneller. Zwei Polizisten treffen sich nach Feierabend, um einen Unfallhergang zu verschleiern. Die Sache stank zum Himmel.
»Weiter«, sagte ich.
»Als ich eintraf, lag Frau Reichenberger am Fuß der Treppe. Sie war eindeutig tot. Nele lag auf ihrer Mutter und klammerte sich an sie. Herr Reichenberger war ziemlich neben der Spur, also sagte Bernd, ich soll mich um Nele kümmern, damit er den Unfall aufnehmen konnte.«
Das schlechte Gewissen drang ihm aus jeder Pore. Ich lockerte meinen verspannten Nacken.
»Also hast du sie in die Küche gebracht, und da seid ihr wie lange geblieben?«
Telly versuchte ein Lächeln.
»Weiß ich nicht. Es kam mir lange vor. Ich bin nicht gut im Hinterbliebene-Trösten.«
»Du musst das aber wissen. Du hast den Unfallbericht geschrieben.«
»Nein«, sagte er sofort, »ich hab ihn bloß unterschrieben. Bernd hat ihn aufgesetzt.« Er sah meinen Blick und schüttelte den Kopf. »So macht man es doch manchmal im Team.«
Das stimmte. Manchmal nahm Rokko etwas auf, und ich führte es weiter. Das Problem war bloß, dass Telly mich beim ersten Gespräch belogen hatte und ich ihm kein Wort mehr glaubte.
»Wann kam der Notarzt?«
»Weiß nicht, aber zeitgleich mit den Sanis.«
»Woher willst du das wissen? Du warst in der Küche.«
»Ich sah sie durch das Küchenfenster.«
»Und wann ungefähr? Kam er eher schnell, oder hat es gedauert?«
»Paul, bei aller Liebe, das ist ewig her.«
Ich starrte ihn an. Niemand sagte was. Er sah an mir vorbei, dann wieder zu mir.
»Kommt schon, Jungs, was ist denn los?«
Ich hatte nicht schwer Lust, ihm eine zu scheuern.
»Telly … Ich hab einen seltsamen Tag hinter mir, alles, was ich will, ist, nach Hause ins Bett, aber ich sag dir eins: Ich geh hier nicht raus, bis du mir erzählt hast, was damals wirklich passiert ist.«
»Was?« Er runzelte die Stirn und versuchte, empört zu wirken. »Also, erst greift Nele mich an, und du machst mir deswegen Vorwürfe, und jetzt kommst du mitten in der Nacht her und drohst mir …«
Rokko klopfte mit der Faust gegen die Tür.
»Mann, Telly, mach schon, ich will zu meiner Süßen.«
Telly schaute zu ihm rüber.
»Ich hab euch doch schon alles gesagt!«
Ich beugte mich vor.
»Du hast ein
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