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Nele Paul - Roman

Titel: Nele Paul - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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nächsten Tag erfahren, was hätte ich denn da tun sollen? Den Ehrenbürger der Stadt, der gerade seine Frau verloren hatte, auf Verdacht einsperren? Bernd hat mich reingelegt! Mein eigener Partner! Die haben an alles gedacht! Es gab keine Beweise!«
    »Woher willst du das wissen?«, knurrte Rokko. »Hast du etwa eine Obduktion durchgeführt?«
    Ich winkte schlapp ab.
    »War ’ne Urnenbestattung.«
    Telly nickte eifrig.
    »Die haben sie sofort eingeäschert. Ich sag doch, die haben an alles gedacht.«
    »Wer hat diesen Notruf entgegengenommen?«, fragte ich. »Stevie.«
    »Bosko?«
    Er nickte.
    Stevie Bosko hatte, vor Rokko und mir, das Kabuff am längsten bewohnt. Vor acht Jahren war er in Rente gegangen.
    »Wieso hat er an dem Abend nicht sofort auf den Notruf reagiert?«
    »Er hat nur Geräusche gehört, dann wurde aufgelegt. Als er zurückrief, ging Reichenberger ran und meinte, Nele hätte mit dem Telefon gespielt.«
    Eis lief mir das Rückenmark runter. Wenn das stimmte, hatte Hans Nele als Alibi für den Mord an ihrer eigenen Mutter benutzt.
    Rokko rückte noch näher an Telly heran.
    »Wenn Stevie dir das erzählt hat, dann hattest du doch deinen Zeugen.«
    Telly lächelte bitter.
    »Ich brauchte einen Tag, um mir klarzumachen, dass ich meinen eigenen Partner verpfeifen musste. Als ich am Tag drauf Stevie sprechen wollte, war er nicht erreichbar. Er hatte sich Urlaub genommen. Er tauchte erst wieder auf der Beerdigung auf, und dort wusste er plötzlich nicht mehr, wovon ich rede. Keiner wusste, wovon ich geredet habe. Man hat mir geraten, die Klappe zu halten.«
    Rokko starrte Telly an.
    »Die haben kassiert. Und du auch. Hast dir hier ’ne schöne Hütte hingestellt.«
    »Das ist das Haus meiner Frau!«, sagte er und stand tatsächlich auf. »Sprich nicht so über das Erbe meiner Frau!«
    Wie ein kleiner empörter Pinscher stand er vor Rokko. Ich musste raus, bevor alles zum Teufel ging. Ich stand auf.
    »Telly, du kündigst.«
    »Was?«
    »Du bist kein Polizist mehr.«
    »Und das sagst du?!« Sein Gesicht verzerrte sich zu einer wütenden Fratze. »Du hättest den Ehrenbürger natürlich auf Verdacht eingelocht und für immer A7 geschoben! Dir ist ja alles total egal! Du hängst dahinten im Kabuff und scheißt auf alles!« Ich erwischte seine Nase. Er jaulte auf und fiel rückwärts auf das Sofa.
    »DEINETWEGEN HAT NELE ZWANZIG JAHRE LANG AN IHREM VERSTAND GEZWEIFELT!!«
    Rokko packte mich an den Schultern, aber ich platzierte noch einen Tritt, bevor er mich wegriss. Telly jaulte auf und zog die Beine an. Sein Bademantel entblößte dürre, bleiche Beine. Der Anblick ernüchterte mich. Ich hielt still.
    »Schon gut, lass mich los«, sagte ich kraftlos.
    »Sicher?«, keuchte Rokko an meinem Ohr.
    Ich stand einfach da, bis er losließ. Er behielt mich im Auge, doch ich ging los, wollte nur noch raus.
    »Es gab doch keine Beweise!«, stöhnte Telly.
    »Halt’s Maul«, sagte Rokko.
    Ich taumelte durch den Flur, riss die Haustür auf und rannte nach draußen. Ich sog meine Lungen voll mit frischer Luft und kämpfte gegen die Übelkeit an. Rokko kam dicht hinter mir aus dem Haus. Er knallte die Tür zu und folgte mir durch den Vorgarten. Unterwegs trat er einen Gartenzwerg in den künstlichen See. Er versank mit einem Platschen. Ich lehnte mich gegen den Gartenzaun und versuchte, die Übelkeit runterzuschlucken. Eine stille, schöne Spätsommernacht. Vielleicht war es in einer solchen Nacht passiert. Ein Ehestreit. Ein Mensch stirbt. Ein Kind sieht was. Ich wusste, dass Kinder dazu neigten, Misshandlungen zu leugnen, um eine geliebte Person zu beschützen. Vielleicht hatte Nele alles tief in sich begraben, um ihn nicht zu verraten. Vielleicht hatte er ihr gesagt, dass sie ihn sonst auch noch verliert. Vielleicht war es das, was aus ihrherauswollte. Seit über zwanzig Jahren. Mir war danach, wieder reinzugehen und Telly fertigzumachen, aber jetzt ging es nur noch um Nele.
    »Fahr mich nach Hause.«
    Rokko schaute mich entgeistert an.
    »Telly deckt einen Mord, und du willst pennen? Wir müssen doch irgendwas tun!«
    »Morgen.«
    Ich ging zum Wagen. Er folgte und schloss auf. Wir stiegen ein, er steckte den Schlüssel ins Zündschloss, machte aber keine Anstalten, den Wagen zu starten.
    »Mann, ist dir nicht klar, was das bedeutet? Neles Eltern haben Streit. Sie ruft die Polizei, er will sie aufhalten, sie kämpfen, sie stirbt, er täuscht einen Haushaltsunfall vor. Er schmiert Koppelmann, damit der für ihn die

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