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Nele Paul - Roman

Titel: Nele Paul - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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hier«, flüsterte ich.
    Mor hielt meine Hand fest.
    »Du auch«, flüsterte sie.
    Ich befreite meinen Arm sanft aus ihrem Griff, gab November noch mal das Zeichen, liegen zu bleiben, und griff nach der Türklinke. Als ich die Tür öffnete, spürte ich Rokko dicht hinter mir. Wir schlichen durch das Wohnzimmer in den Flur und gaben uns Mühe, in der Dunkelheit nirgends gegenzurennen. Wir waren fast bei der Treppe angelangt, als die Holzdecke über uns knarrte. Da oben war wirklich jemand! Ich kniff die Augen zusammen, starrte die Treppe hoch und versuchte, in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Die Haustür wurde aufgestoßen, und grelles Licht erfasste uns.
    »POLIZEI! STEHEN BLEIBEN!«
    Ich blieb stehen, Rokko lief gegen meinen Rücken.
    »WAFFE RUNTER!«
    Mehrere Personen kamen in die Küche gepoltert.
    »Es ist Rokko«, sagte eine Stimme.
    »Und Paul«, sagte eine andere.
    Ich erkannte die Malik-Brüder aus der Nachtschicht hinter dem gleißenden Licht.
    »Wo sind sie?«, schnarrte Hundt.
    Bei dem Krach längst aus dem Fenster und über alle Berge, wollte ich gerade sagen, als die Holztreppe knarrte und das Licht angeknipst wurde. Wir standen wie erstarrt da und blinzelten uns im Licht an. Hundt, Karl-Heinz, Schröder, Telly, die Malik-Brüder, Rokko und ich. Wie auf Kommando schwangen die Waffen zur Treppe hin, und November bellte. Mir fiel auf, dass er bisher noch nicht mal geknurrt hatte. Im selben Moment fiel mir ein, dass der Hof leer gewesen war. Waren die zu Fuß gekommen?
    Bevor ich den Gedanken weiterverfolgen konnte, wurden ein paar nackte Füße auf den oberen Treppenstufen sichtbar. Es folgte ein Paar lange, schlanke Frauenbeine, die in einen weißen Slip mündeten, dann kam mein AC/DC-Tour-Shirtzum Vorschein, unter dem sich Brüste abzeichneten. Nach weiteren Stufen folgte ein Hals, und schließlich wurde ein Frauengesicht sichtbar. Die Frau rieb sich gähnend die Wange und erstarrte, als sie die Phalanx an Waffen sah, die auf sie gerichtet war. Meine Kinnlade klappte nach unten, und ich musste mich auf einen Stuhl stützen. Es gab wohl keinen im Flur, der nicht nach irgendwas suchte, woran er sich festhalten konnte. Wo wir die Bande erwartet hatten, kam eine halb nackte Schönheit zum Vorschein. Und nicht irgendeine. Nele stand auf der Treppe, in Slip und Shirt und mit kurzen Haaren.
    Niemand bewegte sich.
    Dann schoss November an uns vorbei, nahm mehrere Stufen auf einmal und sprang winselnd an ihr hoch.
    »November!« Sie sank auf die Knie und umarmte ihn. »Oh, Süßer … oh, Süßer …«
    Sie drückte ihn an sich, und November drehte durch. Er winselte und leckte ihr übers Gesicht und drehte sich und wusste nicht, auf welchem Bein er stehen sollte. Ich klammerte mich an die Stuhllehne, während mein Puls auf mich einschlug.
    Mor kam aus dem Wohnzimmer gehüpft, blieb am Fuß der Treppe stehen und strahlte über das ganze Gesicht.
    »Engelchen.«
    Nele hob den Kopf aus Novembers Fell. Ihre Augen glänzten, sie sahen fast schwarz aus. Sie lächelte kläglich.
    »Mor.«
    Plötzlich riefen alle durcheinander. Hundt bellte Kommandos und verlangte eine Erklärung. November winselte um Nele herum, die die restlichen Stufen hinunterlief und Mor in die Arme schloss. Schröder fluchte, Rokko erklärte, Hundt wollte einen Ausweis sehen, und ich klammerte mich immer noch an die Stuhllehne. Nele warf mir über Mors Schulter einen Blick zu. Ich hob mein Kinn als Zeichen, dass ich ihren Blick gesehen hatte. Herrje, wir warenuns näher als zwei Meter. Eine Welle von Übelkeit raubte mir den Atem. Mein Herz schlug wie eine Kirchenglocke. Das Pochen setzte sich in meinen Knochen fest. Ich sackte schwer auf den Stuhl, während ich nach Luft schnappte.
    Alles, was ich von den folgenden Minuten weiß, ist, dass wir uns nicht berührten und dass ich mich fühlte, als würde mir jemand unentwegt elektrische Schläge verpassen. Hunderte Male hatte ich mir ausgemalt, wie es sein würde, so hatte ich es mir nicht vorgestellt. Da stand sie, nur ein paar Schritte entfernt, aber der Raum war voller durcheinanderrufender Menschen, und alles, was ich tun konnte, war, auf dem Stuhl zu sitzen und sie anzustarren.
    Nach und nach klärte sich die Lage. Nele war mit dem Taxi gekommen, es war niemand da gewesen. Sie war hineinspaziert, hatte einen Zettel an den Kühlschrank geklebt, war in ihr altes Zimmer gegangen, hatte ihr Bett freigeräumt, es bezogen und sich hingelegt, um ihr Schlafdefizit wettzumachen. Den Zettel hatte Mor

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