Nele Paul - Roman
wann lest ihr denn Klatschmagazine?«
Mor lächelte.
»Ich hab das beim Friseur in der Gala gesehen. Als ich es Paul gezeigt hab, hat er am nächsten Tag jedes Boulevardblättchen aufgekauft, und dann haben wir alle Bilder von dir ausgeschnitten.«
»Du hast Bilder ausgeschnitten«, erinnerte ich sie und zog an dem Korken.
»George Clooney!« Sie seufzte theatralisch. »Kann er gut küssen? Ja, oder? Mit diesem Mund …« Sie schmachtete kurz die Decke an, dann fixierte sie wieder Nele. »Wie ist er denn sonst so?«
Nele lächelte verlegen.
»Nett. Aber ich kenne ihn eigentlich nicht. Wir waren nur einmal auf derselben Party.«
»Aha«, sagte ich und ließ vielsagend den Korken knallen. Der Champagner schäumte heraus. Ich hielt den Flaschenhals über Neles Glas, ohne sie aus den Augen zu lassen. Der Champagner sprudelte hinein. Ihr Gesicht nahm einen dunkelroten Farbton an.
»Wirklich«, murmelte sie und heftete ihren Blick auf die Tischplatte. »Die Journalisten erfinden diese Sachen einfach.«
Mor blieb dran.
»Aber es stimmt doch, dass du eine Rolle in diesem Hollywoodfilm kriegen solltest, aber rausgeflogen bist, weil die Dings, die … wie heißt die denn noch, die mit dem Mund … Angst hatte, neben dir unterzugehen?«
Nele schüttelte den Kopf.
»Es gab Gespräche, aber ich hatte nicht mal Probeaufnahmen. Eigentlich bestand mein Job zum Großteil daraus, mich ins Gespräch zu bringen und dann auf Anrufe zu warten, die nicht oder zur falschen Zeit kamen.«
»Und was war mit diesem Musiker? Dem mit der Villa am Strand? Das war eine tolle Fotoserie. Was war mit dem?« Nele zog die Schultern hoch.
»Nichts.«
»Auf den Fotos sahst du aber glücklich aus«, hakte Mor nach.
»Hast mit seinem Kind gespielt«, erinnerte ich.
»War nicht sein Kind. Die Kleine war nur für das Fotoshooting gebucht. Das Haus gehörte ihm auch nicht, das war alles von der Agentur arrangiert.«
Mors Augenbrauen berührten fast ihren Haaransatz.
»So etwas wird arrangiert?«
Nele zog wieder die Schultern hoch.
»Es gibt Agenturen, die denken sich Geschichten aus, wie sie dich in die Boulevardpresse bekommen. Eine Promiaffäre zu arrangieren ist der leichteste Weg, wenn man sonst nichts kann. Das, oder ein Skandal.« Sie musterte den Tisch ausgiebig. »Die meisten Geschichten habe auch ich erst aus der Presse erfahren. Ich hatte einen Agenten und einen Manager, die haben sich um alles gekümmert.«
Ich hob mein Glas.
»Na dann, willkommen zu Hause, Sklavin. Hier erfährt man alles sofort. Wetten, das ganze Dorf weiß längst, dass du wieder da bist und keine Haare mehr hast?«
Als ich mein Glas hob, zitterte meine Hand leicht, aber alles noch im Rahmen. Es sind die kleinen Siege, die man sich merken muss.
»Auf dich«, sagte ich.
»Auf euch«, sagte Nele.
»Auf uns«, sagte Mor.
Wir stießen an und tranken. Ich schmeckte nichts.Irgendwas stimmte mit meinen Geschmacksnerven nicht. Aber sonst war alles in Ordnung. Die beiden plauderten über das Modelleben und Amerika, als wäre Nele vier Wochen in Urlaub gewesen und nicht neun Jahre verschollen. Ich erfuhr nichts über ihre Gefühle. Nichts von ihrem Privatleben. Nichts von Hans. Nichts, außer fröhlich vorgetragenen USA-Anekdoten. Von Zeit zu Zeit blinzelte ich. Jedes Mal saß sie noch da.
Irgendwann unterdrückte sie ein Gähnen.
»’tschuldigung.«
Mor winkte ab.
»Du kannst dich jederzeit hinlegen, Kind. Wir können morgen reden. Wie lange bleibst du?«
»Na, mindestens bis zu deinem Geburtstag, wenn es euch nicht stört.«
Mein Herz verdoppelte seine Schläge. Mors Geburtstag. Das waren immerhin Tage.
Mor strahlte.
»Im Gegenteil, Engelchen, du bist das schönste Geburtstagsgeschenk, das ich mir wünschen könnte.«
Die beiden lächelten sich an, sie schienen stumm Zwiesprache zu halten. Dann nickte Nele und stand auf.
»Ich gehe ins Bett, ja? Ich bin total erledigt.«
»Neun Jahre weg, erledigt, klar.«
Beide schauten mich an. Mor legte ihre Hand auf meine. Sie tätschelte meinen Handrücken und lächelte Nele an.
»Geh nur, er schafft das schon.«
Nele umarmte Mor und küsste sie auf die Wange.
»Schön, wieder da zu sein«, flüsterte sie.
»Schlaf schön, Engelchen.«
Sie ließ Mor los und warf mir einen Blick zu, der mich beinahe in die Knie gezwungen hätte.
»Gute Nacht.«
»Ja, klar.«
Mor tätschelte wieder meine Hand. Nele ging zur Treppeund verschwand nach oben. Als die Zimmertür oben zufiel, forschte Mor in meinem Gesicht.
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