Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Nele Paul - Roman

Titel: Nele Paul - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
Vom Netzwerk:
dann fasste er ihn an den Haaren und drehte sein Gesicht ins Scheinwerferlicht. »Kennst du den?«
    Ich sah einen hageren, bärtigen Mann Mitte dreißig. Er sah aus, als hätte er schon lange nichts Gutes mehr erlebt.
    »Nie gesehen.«
    »Und deinen?«
    Ich schüttelte den Kopf. Rokko sah sich um.
    »Dann läuft hier noch einer rum. Nur ein Einheimischer kann so fahren.«
    Wir saßen im Lichtkegel wie auf dem Präsentierteller, aber die Endorphine ließen mich die Sache optimistisch sehen. Ich war bereit, bei der kleinsten Bewegung aus den Blöcken zu gehen und jemandem in den Arsch zu treten.
    Aber nichts bewegte sich.
    Das Einzige, was zu hören war, war das Knacken des Motors neben uns und das leise Stöhnen unter uns. Sirenen kamen näher. Der Bärtige unter mir zuckte.
    »Ganz ruhig … gleich kommt ein Krankenwagen …«
    Er lag wieder still. Schon bald drangen von der Straße Geräusche zu uns. Autotüren klappten, Menschen riefen.
    »Hier unten sind Rokko und Paul!«, rief ich. »Achtung, hier laufen noch welche rum!«
    »Die sind bewaffnet!«, schrie Rokko.
    Dann warteten wir und lauerten auf Geräusche. Mein Herz pumpte weiter Adrenalin durch meinen Körper und puschte mich auf. Ich achtete auf die Büsche und glaubte, die Bewegung jedes Blatts zu sehen. Zwei Lichtkegel kamen näher, und wenig später sahen wir Schröder und Kiel. Beide hatten sie Taschenlampen bei sich und waren in Zivil. Sah aus, als kämen sie direkt aus dem Schaukelstuhl.
    »Alles klar?«
    »Lampen vom Körper weg!«
    Die Lampen bewegten sich seitwärts.
    »Habt ihr die anderen?«
    Kiel zeigte in Richtung Straße.
    »Einer liegt da oben. Muss rausgeschleudert worden sein.« »Einer von hier?«
    Schröder nickte.
    »Ludwig Kaikowski.«
    »Lude«, sagten Rokko und ich gleichzeitig und schauten uns an.
    Kiel reichte uns Fesseln. Ich schob sie über die Händemeines Gefangenen und zog die Schlinge zu. Ich warf einen Blick zu Rokko rüber, der seinem Typen ebenfalls die Armbänder anlegte. Wir waren zeitgleich fertig und standen auf.
    »Wenn die sich bewegen, baller ihnen ins Bein. Wo liegt Lude?«
    Kiel versuchte, cool zu bleiben, und nickte die Böschung hoch.
    »Da oben.«
    »Na los.«
    Wir gingen mit Schröder den Weg zurück. Ich warf Rokko einen Blick zu.
    »Baller ihnen ins Bein?«
    Er sagte nichts, bis Schröder neben einem Baum stehen blieb, der von den Scheinwerfern des Streifenwagens hell erleuchtet wurde. Neben dem Baum lag ein Mann. Er schien überall zu bluten. Es war tatsächlich Lude. Der stille Lude, der früher in der Schule nie den Mund auf bekommen hatte. Der im Sport nichts hinbekommen hatte. Der keine Freunde gehabt hatte. Jetzt hatte er sich welche besorgt. Die falschen. Seine Nase war gebrochen, und er blutete aus dem Mund. Sein rechtes Bein war unnatürlich abgewinkelt, er umklammerte seinen Brustkorb mit beiden Händen. Sein Gesicht sah im Scheinwerferlicht trotz des Blutes bleich und schmerzverzerrt aus. Ich erinnerte mich, wie er mir einmal geholfen hatte, Frösche zu fangen. Die Erinnerung ließ den Blutrausch zerplatzen wie einen nassen Ballon.
    »Hast du ihn auf Waffen untersucht?«, fragte Rokko.
    »Äh … wieso denn?«, fragte Schröder.
    »Wieso denn?«, äffte Rokko ihn nach. Er hockte sich hin und tastete Lude ab, der bei jeder Berührung stöhnte. »Lude, hast du den Verstand verloren? Betterman hat dir damals Nachhilfeunterricht gegeben.«
    »Und die Klassenfahrt bezahlt«, sagte ich.
    Rokko zerrte an ihm. Lude krümmte sich und stöhnte lauter. Ich sah ihn als Junge auf dem Schulhof stehen, meistens alleine, und legte meine Hand auf Rokkos Schulter.
    »Komm wieder runter.«
    »Die haben angefangen!« Er zerrte heftig. Lude stöhnte. Ich wollte gerade einschreiten, als Rokkos Hand mit einer Walther PP hervorkam. Er warf Schröder einen wilden Blick zu, sah Lude wieder an, im Licht der Scheinwerfer funkelten seine Augen. »Wen wolltest du denn abknallen? Mich? Oder noch ein paar Rentner?«
    Lude machte den Ansatz zu sprechen, aber als er Luft holte, verzerrte sich sein Gesicht, und er sackte wieder zusammen. Sah nach Rippenbrüchen aus. Rokko deutete zu der Stelle hoch, an der die anderen lagen.
    »Und was sind das da für Wichser? Kriegt man solche Freunde in der Stadt? Hast du deinen Verstand verloren, du Penner? Am liebsten würde ich dir die Kniescheibe wegpusten, aber du hast ja nur noch eine.«
    »Mensch, Rokko«, sagte Schröder und sah sich nervös um. »Mach nur so weiter«, sagte ich. »Kommt

Weitere Kostenlose Bücher