Nele Paul - Roman
nach.
Als ich Rokko telefonieren sah, dachte ich an Mor. Sie machte sich bestimmt schon Sorgen. Ich klopfte gerade meine Taschen nach meinem Handy ab, als Hundt eintraf. Sein rechter Arm hing in einer Schlinge, um den Kopf hatte er einen Verband, aus dem seine Haare wirr hervorstanden. Sein Anzug war schmutzig und zerrissen. Ein Sanitäter lief fluchend neben ihm her. Hundt ignorierte ihn, ging grußlos an allen vorbei, sah die Böschung hinunter und warf dann einen Blick auf den letzten Ü-Wagen, der sich soeben auf den Weg gemacht hatte. Seine Schultern schienen sich zu straffen, als er auf uns zukam. Rokko verabschiedete sich von Anita. Hundt blieb vor uns stehen, seine grauen, leblosen Augen musterten mich.
»Versteht ihr einen einfachen Befehl nicht?«
»Wir haben sie auf die Straßensperre zugetrieben, aber dann sind sie von der Straße abgekommen.«
»Danach brauchten wir sie nur noch aufzusammeln«, mischte Rokko mit.
Hundt schaute zum GT, an dem die Spuren des Zusammenstoßes nicht zu übersehen waren. Sein starrer Haifischblick kehrte zurück.
»Wir sprechen uns noch.« Er sah die Neue an. »Mitkommen.«
Er drehte sich um und ging die Böschung hinunter zur Schneise. Die Neue folgte ihm kopfschüttelnd. Wirschauten ihnen nach, und ich suchte meine Taschen weiter nach meinem Handy ab.
»Tut mir leid um den Wagen.«
»Jetzt kann ich ihn immer als den Wagen in Erinnerung behalten, der die Bande zur Strecke gebracht hat.« Er kniepte mir zu. »Ich muss mir eh einen neuen kaufen, wenn die Kleine kommt.« Er hob die Arme zum Himmel. »O Mann! Papa Rokko hat die Schweine erwischt!« Er holte tief Luft und grinste von einem Ohr zum anderen. »Hätt ich doch bloß ’ne Zigarre …«
Meine Taschen waren leer.
»Scheiße, ich hab mein Handy verloren.«
Er grinste.
»Na dann, viel Spaß beim Suchen.«
Ich schaute in Richtung Waldschneise und zu den Büschen dahinter. Die Nadel im Heuhaufen wäre einfacher zu finden gewesen.
»Gib mir mal deins«, begann ich und verstummte, als der Abschleppwagen den Motor startete. »He, warte!«, rief ich und lief los.
Ich krabbelte auf die Ladefläche und in den GT. Ich fand mein Handy unter dem Beifahrersitz, sprang zurück auf die Straße und winkte dem Fahrer, dass er losfahren konnte. Im selben Augenblick leuchtete das Display. Die Zentrale. »Hansen. Paul Hansen.«
»Äh … ja, hallo, Paul, hörst du mich? Hallo??«
Gernot, immer noch im roten Bereich.
»Ist noch einer entwischt? Sag nur, wo. Wir kriegen sie alle.«
»Paul! Dein Haus brennt.«
»Blödmann.«
»Im Ernst. Dein Haus brennt. Tut mir leid.«
»Mein …« Ich richtete mich auf. »Machst du Witze?«
»Die Feuerwehr ist unterwegs. Ich dachte, du …«
Ich ließ das Handy sinken und drehte mich um. Ich sahetwas am Horizont. Ich sprang auf die Motorhaube des nächststehenden Streifenwagens und schaute in die Richtung, in der unser Haus lag. Da war unübersehbar ein Feuerschein am Himmel. Ich sprang von der Haube.
»ROKKO!«
Als er mich grinsend anschaute, fiel mir ein, dass der GT gerade auf dem Abschleppwagen die Straße runterrollte. Sein Grinsen erlosch, als ich die Fahrertür eines Streifenwagens aufriss und hinters Steuer rutschte. Der Schlüssel steckte nicht. Ich sprang wieder raus.
»Schlüssel!«
Rokko kam schnell näher.
»Was!«
»Mein Haus brennt, verflucht noch mal! Den Schlüssel!«
Einer der Malik-Brüder warf mir seinen Schlüssel zu. Ich warf ihn weiter zu Rokko, rannte um den Wagen und sprang auf den Beifahrersitz. Rokko rutschte auf den Fahrersitz.
»Dein Haus?«
»Ja, verdammt, fahr!«
Er startete, rammte den ersten Gang rein und gab Gas. Der Wagen machte einen Satz nach vorne. Wir flogen fast von der Straße. Ich sah, dass ich acht Anrufe in Abwesenheit hatte. Alle von Mor. Mein Gesicht wurde kalt.
Ich rief Mor an. Sie ging nicht ran. Ich rief zur Sicherheit die Feuerwehr. Die war unterwegs. Rokko drückte das Pedal durch. Wir flogen über die Landstraße. Ich rief wieder Mor an. Nichts.
Je näher wir kamen, desto mehr dachte ich, dass mit der Rauchwolke etwas nicht stimmte. Als wir um die letzte Kurve geschossen kamen, sahen wir es. Das Haus brannte, ja, und zwar lichterloh. Aber es war nicht unser Haus, sondern Neles. Die Villa flackerte hell. Flammen schlugen aus dem Dach, eine große schwarze Wolke türmte sich darüber auf und ging nahtlos in die Nacht über.
Rokko riss am Lenkrad. Der Streifenwagen bockte um die Kurve, schoss den Hügel hoch, und schon
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