Nele Paul - Roman
ignorierten mich, als ich mir die Luftmatratze schnappte und zum Wasser hinunterging.
Auf der Matratze war der Rückweg weit angenehmer, und kalt wurde mir so auch nicht. Im Gegenteil. Als ich drei viertel des Sees durchquert hatte, meinte ich, erste Anzeichen eines Sonnenbrands auf meinem Rücken zu spüren. Ich ließ mich ins Wasser gleiten, stieß die Matratze von mirund begann zu schwimmen. Das kühlende Gefühl auf der Haut war herrlich.
Von Weitem hörte ich schon November, der oben auf der Klippe stand und mich kommen sah. Nele stand immer noch neben der Grillstelle und suchte den See nach einem Lebenszeichen von mir ab. Eine schöne Frau im Bikini. Ein echter Hingucker. Nicht zu fassen, dass sie nach mir Ausschau hielt.
Als sie mich sah, winkte sie. Ich winkte zurück. Anita stemmte sich auf die Ellbogen. Von Rokko war nichts zu sehen. Ich paddelte zur Grillstelle und musste lächeln, als ich das Empfangskomitee sah. Zwei halb nackte Frauen, eine so schön wie die andere.
»Ich komme mir vor wie in einem MTV-Video«, grinste ich, als ich an Land taperte. »Wo ist Rokko?«
»Wieder hochgeklettert«, sagte Anita und sah mich strafend an. »Hattest du nicht behauptet, dass er heute nicht da sein würde?«
»Wusste nicht, dass er kommt.«
Sie zog eine Grimasse. Nele stupste mich an.
»Wo warst du so lange?«
»Ich bin rübergeschwommen.«
Sie kniff die Augen zusammen und sah zum Strand hinüber.
»Sag nächstes Mal Bescheid.«
Ich grinste.
»Hast du dir Sorgen gemacht?«
Sie runzelte die Stirn.
»Sag einfach Bescheid, ja?«
Ich zog sie an mich und verpasste ihr einen Kuss.
»Das törnt mich irgendwie an …«
»Um Himmels willen!«, lachte sie und ließ sich drücken.
Sie war warm, weich und fühlte sich herrlich an. Ich hielt sie vielleicht zu lange, denn Anita stand auf und grinste uns an.
»Ich geh hoch.«
Nele löste sich von mir.
»Wir kommen mit.«
»Sicher?« Anita lächelte. »Ich wollte euch eigentlich mal ein Stündchen alleine lassen.«
»Klingt gut«, sagte ich.
Nele nahm meine Hand und drückte sie.
»Wir kommen mit.«
Sie ließ meine Hand wieder los, legte ihren Arm um Anitas Taille, und so gingen die beiden vor mir die Klippe hoch. Ich folgte und versuchte erst gar nicht so zu tun, als würde ich nicht starren, also wirklich, als Gott die Frau erschuf, muss er in Champagnerlaune gewesen sein. Überall weiche Rundungen, zarte Haut und geheimnisvolle Falten. Ich hätte jahrelang hinter ihnen hergehen können. Mein kleiner privater Jakobsweg.
Als wir auf die Klippe kamen, flippte November aus. Er war kaum zu beruhigen. Wir mussten ihn streicheln und loben und drücken und rubbeln, und schließlich schleckte er mein Knie minutenlang, bevor er sich so weit beruhigt hatte, dass ich mich auf mein Handtuch legen konnte. Rokko lag auf seinem und tat, als würde er über den See schauen, während er zu dem FKK-Pärchen rüberschielte. Ich warf ihm ein Steinchen in den Nacken. Er zeigte mir den Finger und starrte dann offen rüber. Ich traute ihm durchaus zu, dass er Anita provozieren wollte. Er ertrug unausgesprochene Konflikte nicht, lieber brachte er sie zur Explosion. Ich verpasste ihm noch einen Stein. Endlich wandte er den Blick ab. Ich schloss die Augen. Die Sonne wärmte wunderbar. Nele quetschte sich neben mich aufs Handtuch und kuschelte sich an mich. Ihre Lippen tanzten wie Schmetterlinge über meine Brust.
»Woran denkst du?«
»Och.«
Sie legte eine kühle Hand auf meinen Bauch.
»Komm ich darin vor?«
»Och und öcher.«
Sie rutschte höher und knabberte an meinem Ohrläppchen.
»Gut«, hauchte sie und stellte meinem Puls ein Bein. Sie kniff mir in den Bauch und biss mir ins Ohrläppchen. Dann legte sie ihre Arme um meinen Hals und versuchte sich an dem Experiment, ob man jemanden mit einem Kuss umbringen konnte. Viel fehlte nicht. Als wir uns losließen und nach Luft schnappten, sah ich, dass Rokko und Anita uns beide unauffällig beobachteten. Sie lagen auf ihren Handtüchern und taten, als würden sie nicht bemerken, dass direkt neben ihnen jemand zu Tode geknutscht wurde. Ich kniepte ihnen zu. Dann machte ich mich wieder über Neles Lippen her. Ich musste ihnen verdeutlichen, was sie verpassten.
Drei Stunden später lag der säuerlich frische Duft von Buttermilchsuppe im Haus und hätte fast die olfaktorische Erinnerung an den Rattenfriedhof betäubt. Ich stand vor der geschlossenen Badezimmertür, hinter der Nele und Anita vor zehn Minuten verschwunden
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