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Nele Paul - Roman

Titel: Nele Paul - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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einig. Wir würden Bennis Leben um ein paar Erfahrungen bereichern. Rokko zog seine Handschuhe aus dem Gürtel. Oben wurde der Gettoblaster demonstrativ wieder angestellt.
    »Alles raus auf den Haufen?«
    »Zuerst gehst du hoch und sagst Hallo.«
    Er verzog sein Gesicht.
    »Wieso ich?«
    Ich hob die Motorsäge. Er seufzte und verschwand. Ich überlegte mir, die Säge anzuschmeißen, dann könnte ich nachher immer behaupten, nichts von alldem, was da oben passiert war, gehört zu haben. Noch bevor ich mich entschieden hatte, kam Rokko wieder rein, er wirkte nicht unglücklich.
    »Also, alles auf den Haufen?«
    »Nein, weißt du, wie wär’s, wenn du dir erst mal ein Bier nimmst und dich damit in die Ecke setzt«, scherzte ich. »Fang im Bad an.«
    Er schien etwas sagen zu wollen, drehte sich dann um, ging zum Badezimmer und stieß die Tür auf.
    »Gott-verdammt!«, stöhnte er.
    Ich lachte und ließ sein Gejammere im Aufjaulen der Säge untergehen.

    Am frühen Nachmittag kam Mor den Hügel hochgerollt. Auf dem Rollstuhl stapelten sich Dosen und Taschen. November flitzte los, um sie zu begrüßen. Mor schrie ihn an, und wir gingen nachschauen. Es war nicht schwer zu sehen: Das Rattenmassaker hatte an Novembers Schnauze Spuren hinterlassen, und die färbten nun auf Mors Hose ab. Ich erlöste sie von seiner Wiedersehensfreude und nahm ihn mit zu den Wasserflaschen, wo ich ihm das Maul wusch. Erhatte sich nicht geschont, und ich lobte ihn, während ich mich ebenfalls säuberte.
    Die Mädchen schleppten einen alten Holztisch von irgendwoher, bauten ihn unter der riesigen Buche im Garten auf und machten sich daran, ihn zu decken. Rokko ging ihnen zur Hand. Anita war bösartig freundlich zu ihm. Jeder wusste, dass ein falsches Wort eine Kernschmelze auslösen würde, doch ausnahmsweise schaffte Rokko es, keine Scheiße zu bauen.
    Mor breitete diverse Leckereien auf dem Tisch aus. In den Taschen fanden wir Besteck, Gewürze, Zahnstocher und Servietten. Wir wuschen die brüchigen Gartenmöbel ab. November sauste glücklich durch die Büsche. Das Grundstück schien ein Rattenparadies zu sein, die Seychellen für Nagetiere. Wahrscheinlich kamen sie von weit her, um ihre Flitterwochen hier zu feiern. Ich ließ mich auf einen der Stühle sinken, genehmigte mir einen Himbeersaft und diskutierte es mit Rokko aus. Ich schlug vor, einen Zaun um das Haus zu legen und Eintritt zu verlangen, der weltweit erste Anti-Streichelzoo. Rokko dagegen wollte Schienen durchlegen, eine Geisterbahn mit lebenden Ratten, eine Marktlücke. Von weiteren Geschäftsideen nahmen wir Abstand, weil man uns androhte, uns das Essen wegzunehmen.
    Ich lehnte mich auf dem klapprigen Holzstuhl zurück und blinzelte in die Sonne. Es wehte eine Brise, die den Schweiß trocknete und einen durchatmen ließ. Die Blätter in den Bäumen rauschten. Die Luft war klar und der Ausblick fantastisch. Man konnte kilometerweit sehen, kein Zivilisationsgeräusch störte die Magie. Der Augenblick ging an keinem spurlos vorbei. Anita erlaubte Rokko sogar, ihr den Stuhl zurechtzurücken. So saßen wir auf dem Hügel und futterten vom Feinsten. Es gab Smørrebrød . Belegte Brote. Aber an der Art, wie sie garniert waren, sah man, dass sie mit Liebe gemacht worden waren, und wie es halt so warmit der Liebe, kam Freude auf. Außerdem hatte Mor mal wieder herumexperimentiert. Auf dem Fisch war Zimt, auf dem Bananensalat süßer Senf. Ich fragte mich, ob sie sich ihre Rezepte abends nach der zweiten Flasche Wein ausdachte.
    »Was ist da drin?«, fragte ich zwischen zwei Bissen und stieß meinen Fuß gegen einen bunten Karton, der neben Neles Stuhl auf dem Rasen stand.
    »Fotos.«
    »Von dir?«
    Sie nickte.
    »Und Papa«, sagte sie und fügte nach kurzem Zögern hinzu: »Und Mama.«
    Eine kleine Pause entstand. Bevor sie sich ausbreiten konnte, nickte ich.
    »Ah! Ich hab da auch noch welche gefunden, die liegen in dem Karton im Schlafzimmer.«
    Sie schien was sagen zu wollen, doch im selben Augenblick tauchte November mit einer toten Ratte auf, die er mir vor die Füße legte. Die Mädchen stöhnten. November hatte keinen Blick für sie übrig, er blinzelte erst wieder, als ich mein Tofufrikadellenbrot gegen die Ratte eingetauscht hatte. Essen für Essen. Quidproquo. In seiner Welt ein fairer Deal.
    Nach dem Essen legten wir wieder los, doch die Mischung voller Bauch, Wochenende und Sommer ging an keinem spurlos vorbei. Mor rollte den Hügel runter, um die Reste in den Kühlschrank zu

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