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Nele Paul - Roman

Titel: Nele Paul - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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Keine Antwort auf das Warum. Hatte die Bande etwas damit zu tun? Du gehst in ein leeres Haus nach Einbruch der Nacht und stehst plötzlich vor jemand Fremdem. Da würde sich jeder erschrecken. Aber wieso sollte die Bande sich in einer Baustelle einquartieren? Man sah die Abfallcontainer auf einen Kilometer. Es machte keinen Sinn.
    Draußen schrie die Eule wieder. Sie klang frustriert. Da war sie die Einzige. Ich küsste Neles Schulterblatt und ließ meine Fingerspitzen über ihre Haut gleiten. Ich versuchte, weiter nachzudenken, aber meine Gedanken verblassten neben dem Gefühl in meiner Brust. An diesem Tag hatte ich zum ersten Mal die Gewissheit gespürt, dass ich weggehen könnte. Und würde. Ich gehörte aufs Land, aber vor allem gehörte ich zu Nele. Ins Neleland. Ich wusste nicht, wie es ohne Mor werden würde. Ohne ihren Humor, das gemeinsame Essen, unsere Rituale. Aber das, was ich auf der Welt am meisten wollte, war, mit Nele zu leben. Jeden Tag mit ihr aufzuwachen und jeden Abend mit ihr einzuschlafen. Ich würde versuchen, ihr die Sache hier schmackhaft zu machen, aber wenn sie diesmal ging, würde ich mitgehen.
    Sattes Glück durchlief mich in sanften Wellen und machte jeden anderen Gedanken zunichte. Ich sog Neles warmen Schlafduft in die Nase, rutschte näher an sie heran und verschob alles auf morgen. Ihr Körper fühlte sich warm und glatt an. Ich klemmte mir ihre Ferse zwischen die Waden und schloss die Augen. Zwei Menschen in einem Bett auf einem Planeten, der sich drehte.

fünf
    Als die Sonne ihr erstes Licht über die Felder warf, bewegte Nele sich träge. Ihre Lider zitterten. Ihre Zunge kam zwischen ihren Lippen hervor und befeuchtete sie, während sie ein Auge öffnete und gegen das Morgenlicht gleich wieder zusammenkniff.
    »Guten Morgen«, sagte ich. »Wie fühlst du dich?«
    »Gut.« Sie bewegte sich unter der Decke und stöhnte. »Bis auf einen fiesen Muskelkater. Ich bin’s echt nicht mehr gewohnt, körperlich zu arbeiten.«
    »Noch ein paar Wochen, und du hast den Speck runter.«
    Sie verzog das Gesicht.
    »Mr. Charming.«
    Ich küsste sie. Die Berührung ihrer Lippen ließ mein Herz schneller schlagen. Ich stieß ihr meine Zungenspitze in den Mund und leckte ihr die Nacht von den Lippen. Als ich sie freigab, lächelte sie.
    »Wow.«
    Ich suchte ihre Augen nach irgendwelchen Zeichen ab.
    »Hast du irgendwo Schmerzen, vom Muskelkater abgesehen?«
    Sie kräuselte ihre Stirn.
    »Nein.«
    »Na, dann ist ja alles in Ordnung.« Ich rollte mich aus dem Bett. »Gleich gibt’s Kaffee.«
    Sie schnurrte. Ich schlüpfte in Boxershorts und ein Udo-Lindenberg-Shirt, das mir zu weit war. Als wir es gekauft hatten, war ich noch der Dicke gewesen.
    Als ich die Zimmertür öffnete, schoss November an mir vorbei und steuerte das Bett an. Er wusste, dass er nicht ins Bett durfte. Er hüpfte, ohne zu zögern, auf die Matratze und begann, Neles Gesicht abzuschlecken. Dieser Hund wusste mehr, als er zugab.
    »Puhhh, du Stinker!« Sie schubste ihn halbherzig weg. Er blieb am Ball. Als sie wieder versuchte, ihn wegzuschubsen, sah sie mich Hilfe suchend an. »Wir müssen ihm die Zähne putzen.«
    »Wieso wir? Ich hab’s die letzten neun Jahre getan.«
    Ich sah noch einen Augenblick zu, wie sie halbherzig mit ihm kämpfte, dann ließ ich die beiden alleine.
    Mor saß in der Küche und rieb sich den Stumpf. Vor ihr stand ein dampfender Becher Kaffee. An der Wand standen die Krücken. Daneben lehnte ihre Prothese. Das Ding hatte ich lange nicht mehr gesehen.
    »Morgen.« Ich knutschte ihre Wange. »Wieder wund?«
    Sie warf der Prothese einen finsteren Blick zu.
    »Man sollte meinen, ein Sanitätshaus wäre in der Lage, so etwas anzupassen, aber nein, die können es nur verkaufen.«
    »Kapitalismus – aus dem Laden, aus den Augen. Ich dachte, du hättest es längst aufgegeben mit dem Ding.«
    »Ich will auf dem Fest tanzen.«
    Ich holte zwei Tassen aus dem Schrank und dachte kurz daran, wie sie mir als Kind das Tanzen beigebracht hatte. Ich verteilte Kakao und Zucker auf die Tassen und sah sie wie beiläufig an.
    »Hast du gestern Abend was mitbekommen?«
    Sie rollte mit den Augen.
    »Gott sei Dank war der Fernseher zu laut.«
    »Haha. Sag mal, was habt ihr gestern gemacht, als ich laufen war?«
    »Ferngesehen.«
    »Und?«
    Sie dachte kurz nach.
    »Nichts. Ich bin dabei eingeschlafen. Wozu Schlaftabletten, wenn es solche Filme gibt.« Sie sah mich fragend an. »Wieso willst du das wissen?«
    »Weil Nele, während

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