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Nele Paul - Roman

Titel: Nele Paul - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbaek
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wieder nach draußen kam, biss die Sonne bereits auf der Haut. Vor der Villa blieb ich einen Augenblick stehen und sah zu unserem Hof hinunter, dann drehte ich mich um und ging noch mal zurück in die Villa. Ich wollte sichergehen, dass ich nichts übersehen hatte.
    Fünfzehn Minuten später lief ich mit demselben Ergebnis wieder nach Hause. Ich hatte keinen Hinweis gefunden, dass sich jemand mit Gewalt Zutritt verschafft oder sich im Haus aufgehalten hatte.
    Als ich in die Küche kam, roch es einladend nach Kaffee, Toast und Rührei. Mor und Nele verstummten mal wieder. »Achtung«, rief ich. »Mann in der Küche. Aber keine Angst, er ist gleich wieder weg.«
    Ich drückte beiden einen Kuss auf die Wange, lief die Treppe hoch, duschte, zog mich um und war in null Komma nichts wieder unten. Draußen hörte ich Rokko vorfahren. In der Küche saßen die beiden noch immer am Küchentisch. Wieder verstummten sie, als ich hereinkam. Mich konnten sie damit nicht mehr schocken.
    »Jaja, manche kehren wieder. Aber nur für das …«
    Diesmal küsste ich beide auf den Mund. Fast hätte ich Nele in die Arme genommen, doch ich war schlau genug, es bei dem Kuss und einem Blick zu belassen. Sie musterten mich belustigt.
    »Schönen Tag wünsch ich euch, die Sonne scheint wieder, herrlich, was?«
    Als ich raus auf den Hof ging, wurde hinter mir getuschelt. Ich rutschte in den GT und hatte eine Sekunde Zeit, Rokkos Uniform zu bestaunen, bevor wir vom Hof schossen. In dem Durcheinander hatte ich Hundts Dienstanweisung vergessen. Nele zuliebe hatte ich mir immerhin eine lange Hose, ein Hawaiihemd und Mokassins angezogen, doch auch diese Kombination konnte man kaum vorschriftsmäßig nennen. Bei dem Gedanken, wie Hundt mich rannehmen würde, lächelte ich bloß. Alles unter einem Atomkrieg würde heute wirkungslos an mir abprallen.

    »Polizeinotruf.«
    Eine Männerstimme, schwer atmend und langsam.
    »Ja, hallo. Wir hatten hier einen Unfall.«
    »Ist jemand verletzt worden?«
    »… nein, mir ist nichts passiert.«
    »Gibt es andere Unfallbeteiligte?«
    »Äh … ja.«
    »Und was ist mit denen?«
    »… weiß ich nicht.«
    »Dann fragen Sie doch bitte mal.«
    »… geht nicht.«
    »Warum denn nicht?«
    »… der spricht nicht mit mir.«
    »Warum nicht?«
    »Der liegt auf dem Boden. Der blutet aus dem Kopf und stöhnt die ganze Zeit.«
    »Dann würde ich mal sagen, der ist verletzt.«
    »… ja, ist er.«
    »Dann schicke ich Ihnen jetzt einen Rettungswagen, in Ordnung?«
    »Ja … gut.«
    Ich gab die Fahrt raus und legte auf. Der Anruf war eigentlich was für die Charts, doch Anrufe unter Schock nahm ich nicht mehr auf. Unter Schock war jeder Mensch verletzlich. Einen Schock bekam man, wenn die Dinge zu schnell passierten oder zu heftig waren. Im Außendienst hatte ich Menschen gesehen, die sich im offenen Schädel herumgepult hatten, andere hatten versucht, ihre Zähne wieder ins Zahnfleisch zu drücken, oder hatten ihren toten Ehemännern oder -frauen Vorwürfe gemacht, dass sie tot waren. Schock war Ausnahmezustand. Außer Betrieb. Notaggregat. Ich fragte mich wieder, was Nele gestern so erschreckt haben konnte. Vielleicht war es wirklich nur die Situation. Ich wusste, wie ich reagieren würde, wenn ich nach Mors Tod zum ersten Mal wieder unser Haus beträte.
    Ich schickte Nele eine SMS, dass sie mir fehlte, und bekam postwendend die Antwort, dass ich ihr noch viel mehr fehlte. Ich ging in die Küche und rief Mor an. Ich erfuhr, dass Nele einen ganz normalen Eindruck machte und mit Anita oben in der Villa war, sie selbst müsse nun weitermachen, es gäbe viel zu tun. Sie küsste in den Hörer und legte auf.
    Ich ging wieder ins Kabuff und nahm einen Anruf entgegen. Im Supermarkt war eine ältere Frau gestürzt. Ich schickte Rettungswagen und Streife, dann lehnte ich mich zurück und schloss die Augen. Ich versuchte, über gestern Abend nachzudenken, aber jedes Mal bekam ich Neles Lächeln vor Augen, und dann verflüchtigten sich meine Gedanken wie Tau am Mittag. Für einen Augenblick überlegte ich, Rokko um Rat zu fragen, aber er war natur-stoned. Was ihn und Anita anging, konnte man Vollzug vermelden. Er strahlte und scherzte, obwohl seine Uniform durchgeschwitzt war und Mattes uns einen Tisch voller Anzeigenzurückgelassen hatte, die abgetippt werden mussten. Ich war geneigt, ihm einen Sabberlatz umzubinden.
    Als er mich mal wieder angrinste und ein Auge dabei zukniepte, musste ich lachen.
    »Und, versöhnt?«
    »Noch nicht

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