Nele Paul - Roman
Wir küssten uns. Und blieben liegen. Still. Mund auf Mund. Keiner bewegte sich. Ich fühlte ihre Hitze, ihr Gewicht, roch ihren Atem, atmete ihren Geruch ein und sah ihr in die Augen, bis ihre Lider sich senkten. Ich fühlte, wie ihr Atem sich veränderte und wie ihr Körper schließlich auf meinem schwer wurde. Ich schloss meine Augen. Wir schliefen miteinander.
vier
Am Tag der Einheit wuchs zusammen, was zusammengehörte. Rokko lächelte wie ein bekiffter Buddhist und fand alles in bester Ordnung. So etwas konnte eine Nacht mit der Richtigen auslösen, niemand wusste das besser als ich.
Wir waren mit der Sonne aufgestanden, und nachdem wir den halben Vormittag geschuftet hatten, stand im Garten eine improvisierte Theke, die wir aus einer Tür und zwei Kühlschränken gebastelt hatten. Daneben hatten wir aus Bühnenelementen ein Podest für die Band gebaut. Die Musikanlage sollte gleich geliefert werden. Die Container waren abgeholt worden, der Garten sah zwar ein bisschen wild, aber gemütlich aus. Bierbänke und Tische standen kreuz und quer zwischen Bäumen, Büschen und Schirmen, und dazwischen war jede Menge Platz zum Tanzen. Wir hatten Scheinwerfer aufgebaut und um jeden Baum und Busch Lichterketten gewickelt. Die Party würde vermutlich auf Satellitenbildern zu erkennen sein.
Rokko raste zwischen seiner Garage, unserem Haus, Anitas Wohnung und dem Hof hin und her. Mit dem GT musste er ziemlich oft fahren, bis Gitarrenanlage und Bassverstärker da waren. Er musste sich ein paar Kommentare über seinen Möchtegern-Tourbus anhören, ein Kindersitzspruch mischte sich auch darunter. Mor heizte ebenfalls den Hügel hoch und runter, stets flankiert von zwei der Kids auf Mofas. Ich hatte vorsorglich die Ersatzbatterie aufgeladen, doch auch die machte langsam schlapp. Sie fluchte auf denRollstuhl, ich nickte mitfühlend und ließ mir nichts anmerken. In einem unbemerkten Augenblick rief ich Mohammed an. Er holte uns mit dem Großraumtaxi ab, und wir düsten los, um Mors Geschenk zu holen. Ich nutzte die Gelegenheit, um Rokko zu fragen, was man bei dem neuen Rollstuhl zu erwarten hatte. »Vertrau mir«, sagte er. Das warf ein neues Licht auf die Sache. Mor würde wohl herausfinden, ob die Götter sie liebten.
Die Anlage wurde geliefert, und wir begannen, die Instrumente für die erste und letzte Probe aufzubauen. Die Kids hingen herum und machten auf cool. Sie waren wie zufällig eingetrudelt, hatten sich mehr als nützlich gemacht und bestaunten die Sache. Ein richtiges Schlagzeug. Wow. Das kannten sie sonst nur von MTV. Während Nele summte, Anita ihren Bass entstaubte und Rokko sein Set zusammenschraubte, zog ich neue Saiten auf meine alte Fender Telecaster und musste schwer an mich halten, wenn ich mal einen Blick von Nele aufschnappte.
Wir spielten probehalber Für immer und dich , was keine schlechte Wahl für zwei verknallte Pärchen war. Es klang nicht gut, aber es tat gut. Wir grinsten wie die Deppen und spielten unser Miniprogramm einmal ganz durch. Mehr Proben hätten uns nicht geschadet, aber manchmal muss man eine Gelegenheit eben ergreifen.
Die Getränke wurden geliefert und mit ihnen die Eistruhen. Die Kids packten sofort mit an. Mit ihrer Hilfe klärten wir das allerwichtigste Detail des Tages: Alkoholnachschub. Nicht auszumalen, was los wäre, wenn uns auf halber Strecke das Benzin ausgehen würde, und so schoben wir Bierfässer und Weinkisten in die Küche, wo Mor summend in den letzten Vorbereitungen der Bowle lag. Als ich das letzte Fünfzig-Liter-Fass in die Küche brachte, warf sie mir einen seltsamen Blick zu. Ich lud das Fass ab, streckte meinen Rücken durch und grinste sie an.
»Alles klar? Unfassbar mit den Kids, was? Erst muss mansie zur Arbeit erpressen, und dann wird man sie nicht mehr los.«
»Jugendliche«, sagte sie und rührte Früchte in die Bowle. Punch, wie sie das Zeug nicht ohne Grund nannte. »Gib ihnen eine Aufgabe und ein bisschen Anerkennung.«
»Ist das so einfach?«
»Meistens«, sagte sie. Sie hörte auf zu rühren und sah mich seltsam an.
»Was ist?«
»Ich freu mich«, sagte sie und begann wieder zu rühren. »Wer hätte gedacht, dass ich dich noch mal so erlebe.«
Ich zog sie an mich und drückte ihr einen Schmatzer auf die Wange.
»Ach, du bist die einzige Liebe in meinem Leben. Mit Nele vertreib ich mir bloß die Zeit, bis deine Wechseljahre durch sind.«
Sie schlug mit der Schöpfkelle nach mir. Ich duckte mich, aber sie erwischte mich an der
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