Nelson, das Weihnachtskaetzchen
im Warmen zu liegen und nichts zu tun. Schließlich war es noch gar nicht so lange her, da war er hungrig und frierend in einer Betonwüste umhergezogen.
Er dachte an den Weihnachtsmarkt. An seinen Stand und das Elektroöfchen, an dem er sich hatte wärmen dürfen. Nicht nur hier, auch bei Arthur war es schön gewesen. Er hatte ihn aufgenommen und gefüttert, als keiner da gewesen war. Es war eine gute Zeit gewesen.
Der alte Mann fehlte ihm ein wenig. Inzwischen glaubte Nelson nicht mehr, dass er mit dem Auto wieder zum Weihnachtsmarkt zurückgebracht werden würde. Er war jetzt wieder bei Marie zu Hause, und wie es aussah, für immer. Arthur würde er nicht wiedersehen.
»Nelson, meinst du, das Christkind kommt auch zu dir?«, fragte Marie mit einiger Aufregung in der Stimme.
Maries Mutter steckte den Kopf durch die Tür.
»Kommt das Christkind auch zu Nelson, Mama?«
Sie lächelte. »Bestimmt. Aber ein bisschen dauert es noch. Versuch dich doch etwas abzulenken, Marie. Nach dem Mittagessen kommst du in die Wanne, und danach machen wir uns langsam für die Kirche fertig. Aber bis dahin ist noch einige Zeit totzuschlagen.«
»Wie lange dauert es noch bis zum Mittagessen?«, fragte Marie.
»Glaub mir, mein Engel, noch eine ganze Weile. Spiel doch etwas mit Nelson. Wenn nachher im Kinderkanal ›Drei Nüsse für Aschenbrödel‹ läuft, darfst du meinetwegen auch fernsehen.«
Dann verschwand Maries Mutter wieder, und sie waren allein. Nelson dachte wieder an Arthur. Ob bei dem heute auch so eine Aufregung herrschte? Oder saß er einfach in seinem Stand und las die Zeitung, so wie er es immer tat? Gab es bei ihm noch diese kleinen Schälchen mit dem leckeren Futter? Er hätte ihn gern noch einmal besucht.
»Komm schon, Nelson! Fang die Maus!«
Da war plötzlich eine Bewegung. Ein kleines Wollknäuel, das durchs Zimmer huschte. Nelson konnte nicht widerstehen. Sofort fixierte er die vermeintliche Beute. Er konzentrierte sich, passte den richtigen Moment ab, sprang auf und flitzte hinterher. Als es so weit war und er mit der Jagd begann, hatte er Arthur und seinen Stand auf dem Weihnachtsmarkt längst wieder vergessen.
31
Anna bereitete alles fürs Abendessen vor. Wie jedes Jahr würde es Käsefondue geben. Nach dem Kirchgang, der Bescherung und dem Singen unterm Weihnachtsbaum würden sie am Wohnzimmertisch Platz nehmen und mit dem Abendessen beginnen. Anna kramte das Fondueset aus dem Schrank hervor und spülte es mit der Hand, dann holte sie Spiritus aus dem Keller, stellte Emmentaler und Weißwein bereit, dazu Brot und grünen Salat, und schließlich rührte sie das Kirschdressing für den Salat an. Heute Abend würde dann alles ganz schnell gehen und ohne viel Aufwand auf den Tisch kommen.
Draußen vor dem Haus entdeckte sie Klaus, der mit dem Familienkombi in der Auffahrt parkte. Er öffnete den Kofferraum und zog eine Tanne hervor. Anna blickte zur Uhr. Er war lange fort gewesen. Wollten sie rechtzeitig um halb elf zur Aufführung in Lauras Theaterwerkstatt sein, würden sie sich langsam beeilen müssen.
Anna lief in den Flur und hielt Klaus die Tür auf, damit er den Baum ins Wohnzimmer tragen konnte.
»Der sieht gut aus«, sagte sie.
»Warte erst, bis ich ihn aus dem Netz befreit habe. Es ist ein wahres Prachtexemplar.« Er gab ihr einen Kuss und grinste. »Ich sag dir, in ganz Berlin war kein schönerer Baum zu finden. Du weißt schon, warum du mich geheiratet hast, nicht wahr?«
»Ach, mein Held«, sagte sie und lachte.
Wenig später stand der Baum in seiner ganzen Pracht im Wohnzimmer neben dem Kamin. Anna musste zugeben, er war tatsächlich wunderschön. Klaus klopfte sich die Hände sauber und betrachtete ihn zufrieden.
»Ich hätte ihn gestern schon besorgen sollen«, sagte er schließlich. »Es wird langsam eng, wenn wir noch zu Lauras Schulaufführung wollen, richtig?«
»Das schaffen wir schon noch«, sagte Anna. »Wir schmücken den Baum halt nachher, wenn wir wieder zu Hause sind.«
Die Geräusche aus dem Wohnzimmer hatten Max aus seinem Zimmer hervorgelockt. Er trat neben den Kamin und betrachtete die Tanne. Eigentlich fand er das Weihnachtsfest ja uncool, aber der Baum interessierte ihn nun doch.
Max war ein bisschen neidisch auf seine Schwester, weil die später am Abend noch zu einer Weihnachtsparty fahren durfte. Doch Anna wusste, wenn er erst einmal das Computerspiel, das er sich so sehr wünschte, ausgepackt hatte, dann hätte er ohnehin keine Augen mehr für etwas
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