Nelson, das Weihnachtskaetzchen
aus.
Arthur war kurz davor, das Plakat abzunehmen. Dann hätte er etwas, das er mit nach Hause nehmen konnte. Aber dann ging er eilig weiter und rief sich zur Ordnung. So ein Unsinn, sagte er sich. Man sollte doch meinen, du hättest Besseres zu tun, als über eine Katze nachzudenken.
In seiner Hütte stellte er das Öfchen an. Viel ausrichten würde es jedoch nicht gegen die Kälte und den Wind. Arthur schlug seinen Kragen hoch. Die letzten Tage würde er auch noch überstehen. Auf seiner Verkaufsfläche standen nun sämtliche Figuren, die er noch besaß. Die Kisten unter dem Tisch waren leer. Es war das beste Jahr seit Langem gewesen. Trotz seines Ausfalls und der Lohnkosten für Bianca waren seine Einnahmen gut.
Nur eine Figur ließ er bewusst unter der Theke. Die große Marienfigur, sein Meisterwerk, das er nun doch nicht verkaufen wollte. Er hatte mit dem Gedanken gespielt, sie Liselotte zu schenken. Bei ihrem Rendezvous auf dem Weihnachtsmarkt hatte er sie sogar in seiner Manteltasche gehabt, doch dann war nicht der rechte Moment dafür gewesen. Und nun hatte er entschieden, sie selbst zu behalten. Er würde sie ins Küchenregal neben das Familienfoto stellen.
Als hätte Liselotte gespürt, dass er gerade an sie dachte, tauchte sie plötzlich auf und drängte sich durch die Menschentraube vor seinen Stand. Sie schien aufgewühlt zu sein.
»Murat sagt, Nelson ist fort?«, begann sie ohne Umschweife das Gespräch.
»Ja«, sagte er. »Schon lange. Den Korb kann ich aber nicht zurückgeben. Er hat zu viele Gebrauchsspuren. Ich werde ihn bezahlen.«
Liselotte brauchte einen Moment, um zu begreifen, wovon er redete. »Vergiss doch diesen Korb«, sagte sie dann. »Den musst du nicht bezahlen. Das ist kein Problem, die jungen Leute schenken ihn uns.«
»Nein, nein. Es soll alles seine Ordnung haben. Du kannst ihnen ausrichten, ich werde heute Abend mit dem Geld vorbeikommen.«
Doch Liselotte hörte gar nicht richtig zu.
»Seit wann ist Nelson denn fort? Ist er weggelaufen? Versteckt er sich vielleicht noch in der Nähe? Wir könnten ihn suchen gehen.«
»Nein, er ist nicht weggelaufen. Er ist jetzt bei seinen Besitzern.«
»Wie bitte? Aber wie haben die ihn gefunden?«
Arthur wollte nicht mit Liselotte darüber reden. Am liebsten wollte er gar nicht mehr über Nelson reden. Das Beste wäre, er würde ihn einfach vergessen.
»Das ist eine lange Geschichte, Liselotte …«, sagte er widerwillig. Er deutete auf die aufgeschlagene Zeitung, die auf seinem Schoß lag. »Eigentlich würde ich jetzt gerne den Artikel zu Ende lesen.«
Das war nicht sehr freundlich, und er rechnete schon damit, dass Liselotte ärgerlich werden würde. Doch stattdessen betrachtete sie ihn auf sonderbare Weise. Als hätte sie plötzlich etwas verstanden. Ein weicher Ausdruck trat in ihr Gesicht.
»Arthur«, sagte sie mitfühlend. »Nur weil Nelson weg ist, kannst du uns nicht alle wieder aus deinem Leben drängen.«
»So ein Unsinn«, brauste er auf. »Diese blöde Katze ist mir doch egal. Es ist nur ein Tier, Liselotte, und es war von Anfang an klar, dass er zu seinen Besitzern zurückkehren wird. Ich wollte nie ein Haustier haben, das kannst du mir glauben.« Er nahm seine Zeitung und schlug sie demonstrativ auf. »Ich hätte ihn gleich verjagen sollen«, brummelte er.
Liselotte blieb vor der Hütte stehen und überlegte offenbar, was sie darauf sagen sollte. Sie betrachtete seine Krippenfiguren, und Arthur erinnerte sich, was sie ihm bei ihrer ersten Begegnung gesagt hatte: Wer so schöne Figuren erschafft, der ist kein schlechter Mensch.
Er spürte sein schlechtes Gewissen. Liselotte war viel zu gut für ihn. Eine wie sie hatte er doch überhaupt nicht verdient.
»Ich habe heute meinen letzten Auftritt«, sagte sie schließlich mit sanfter Stimme. »Es geht gleich los.«
»Ach so? Ja, dann wünsche ich viel Glück.«
»Danke.« Sie zögerte. »Sehen wir uns wieder?«
»Vielleicht schon. Ich werde im nächsten Jahr wieder hier sein und meine Krippenfiguren verkaufen.«
Offenbar hatte sie mit einer anderen Antwort gerechnet. Doch sie protestierte nicht.
»Also dann, Arthur. Bis zum nächsten Jahr.«
Eine Stimme sagte ihm: Was tust du hier? Du kannst sie doch nicht einfach gehen lassen! Lauf ihr hinterher. Sag ihr, wie sehr du sie magst.
Doch bevor er reagieren konnte, war sie schon in der Menschenmenge abgetaucht.
Ein paar Tage später endete der Weihnachtsmarkt. Liselotte bekam er nicht mehr zu Gesicht. Der 23.
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