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Nelson DeMille

Nelson DeMille

Titel: Nelson DeMille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Vermächtnis
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Sämtliche hundertzwanzig Hektar des Stanhope'schen Anwesens waren mit exotischen und teuren Baumarten aus aller Welt bepflanzt, und viele dieser Bäume waren über hundert Jahre alt. Zwar zerfiel das Anwesen seit ein paar Jahrzehnten in kleine Stücke, aber Susan - und die Ganzes - hatten wenigstens ihre vier Hektar große Parzelle gepflegt, und mir fiel auf, dass sich anscheinend auch Amir Nasim um seinen Grund und Boden kümmerte.
    Jetzt, da ich nach so vielen Jahren zurückgekommen war, verblüffte es mich, dass es immer noch so viele große Anwesen an der Gold Coast gab, knapp dreißig Meilen von Manhattan entfernt, umgeben von einem Vorstadtbezirk mit weit über einer Million Menschen. Der Druck, das verbliebene Land für den Bau von Minivillen für die frischgebackenen Millionäre zu erschließen, war gewaltig. Aber ein neuer Schlag von Multimillionären, darunter auch Ausländer wie Amir Nasim, und Menschen, deren Vermögen zweifelhaften Ursprungs war, wie Frank Bellarosa, hatten sich hier niedergelassen und verfügten über genügend Mittel, um die alten Anwesen von den alten Familien zu kaufen und ihnen neues Leben einzuhauchen.
    Bevor das jedoch geschehen war, hatte es hundert oder mehr großartige Anwesen gegeben, deren Herrenhäuser wegen Steuern, finanzieller Rückschläge oder Instandhaltungskosten aufgegeben worden waren, und während meiner Jugend waren ihre Ruinen in der ganzen Gegend verstreut, sodass die Landschaft aussah, als hätte eine Horde Vandalen eine breite Schneise durch das Imperium gezogen. Die riesigen leerstehenden Herrenhäuser gaben damals eine ideale Bühne für allerlei Spiele und Phantastereien ab. Und auch als ich älter wurde, spielte ich dort, diesmal ein anderes Spiel, das >Liebe zwischen Ruinen< hieß - ein paar Kerzen, eine Flasche Wein, ein Radio, eine Decke und eine frisch emanzipierte junge Frau, die die Antibabypille nahm.
    All das erinnerte mich daran, dass eines von Susans vielen Talenten die Ölmalerei war und ihre Stärke das Malen dieser verlassenen Herrenhäuser. In der ganzen Gegend hatte man sie wegen ihrer romantischen Wiedergabe dieser überwucherten Ruinen gekannt, die sie in der Stimmung, wenn auch nicht im Stil von Piranesis Stichen römischer Ruinen malte. Die architektonische Vielfalt der Herrenhäuser an der Gold Coast, wie auch ihr jeweiliger Verfallszustand, der von rettbar bis hoffnungslos reichte, ermöglichten ihr natürlich eine größere Bandbreite als Piranesi, zumal sie mit Öl- und Acrylfarben arbeitete. Falls das so klingt, als ob ich
    mich auskenne, dann trifft das nicht zu; ich weiß das von der Künstlerin. Ich war neugierig, deshalb fragte ich Susan: »Malst du noch?«
    Sie lächelte, wirkte jedoch leicht wehmütig, wie ich fand. »Nicht mehr. Vielleicht fange ich wieder an.«
    »Warum hast du aufgehört?«
    Sie dachte darüber nach. »Ich habe auf Hilton Head zu malen versucht... ein paar Seestücke und viele von diesen Zwergpalmen ... aber irgendwie habe ich einfach das ... Talent verloren, nehme ich an.«
    »Ich glaube nicht, dass man ein Talent verlieren kann.«
    »Tja ... vielleicht haben mich die Motive nicht interessiert. Weißt du, wie wenn ein Künstler von einem Ort, der ihn inspiriert hat, irgendwo anders hinzieht.«
    »Verstehe.« Ich dachte, dass sich vielleicht auch ihr Geisteszustand verändert haben könnte. Wenn gute Künstler verrückt sind - und sie war eine gute Künstlerin und verrückt obendrein -, dann kann die Rückkehr zu einem gewissen Grad geistiger Gesundheit den Funken ersticken, der das wahnsinnige Genie ausmachte. Das ist sowohl gut als auch schlecht. Überwiegend gut, glaube ich, denn ich kann zwar gut auf schlechte Gemälde verzichten, andererseits ist es nicht leicht, mit einer verrückten Frau zu leben.
    Jedenfalls fragte ich mich, ob diese neue, bessere, gelassenere Persönlichkeit, die ich jetzt erlebte, das Ergebnis einer erfolgreichen Therapie oder sehr guter Medikamente war.
    Susan sagte: »Jetzt, da ich wieder zurück bin ... sollte ich feststellen, ob ich noch die nötige Inspiration habe.«
    »Okay.« Aber setz die Medikamente nicht ab.
    Ironischerweise stellte eines der besten Bilder, die sie je gemalt hatte, die Ruinen von Alhambra dar. Susan hatte bei unserem ersten Besuch in Alhambra bei Kaffee und Cannoli großzügig angeboten, als Einzugsgeschenk den Palmenhof zu malen. Sie besaß Fotos des prachtvollen zweistöckigen Atriums, wie es ausgesehen hatte, bevor die Bellarosas das Herrenhaus

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