Nelson DeMille
Fußstapfen; ich war Anwalt an der Wall Street gewesen und hatte viel Geld verdient. Carolyn arbeitete für einen Apfel und ein Ei, wie so viele Kinder mit einem Treuhandfonds, und sie klagte Straftäter an, was mich irgendwie überraschte, weil sie einst sehr idealistische Ansichten hinsichtlich der Rechte von Strafverteidigern hatte. Vielleicht hatten ihr drei Jahre strafrechtliche Praxis ein bisschen die Augen geöffnet. Vielleicht gehörte sie eines Tages dem Anklägerteam im Fall Der Staat gegen Anthony Bellarosa an. »Ich bin stolz auf sie«, sagte ich.
»Meinst du, es besteht eine Möglichkeit, dass sie bei deiner alten Kanzlei unterkommt?«
Es bestand keine Möglichkeit, dass ich bei meiner alten Kanzlei unterkam, und ich glaubte nicht, dass die verbliebenen Soziusse von Perkins, Perkins, Sutter und Reynolds den toten oder den in Ungnade gefallenen Sutter durch eine weitere Vertreterin dieser Familie ersetzen wollten. Sie hatten den Namen natürlich beibehalten, damit sie sich die bei einer Änderung anfallenden Unkosten nicht aufhalsen mussten, und außerdem genoss mein Vater einen legendären Ruf an der Wall Street. Was mich angeht, nun ja ... mein Absturz hatte mit der Frau begonnen, die mich jetzt fragte, ob ich ihrer Tochter einen Job besorgen könnte. Ironisch. Aber auch albern. Carolyns nächster Schritt würde sie nicht zu einer alten Anwaltskanzlei an der Wall Street führen; sie würde zu irgendeiner Bürgerrechtsgruppierung gehen oder zu einer Weltverbessererkanzlei. Und das war auch okay; irgendjemand in der Familie musste ein Herz haben. Außerdem würde es William stinken. Doch um auf Susans Frage einzugehen, sagte ich: »Ich erkundige mich.«
»Danke.« Das Thema lautete »Arbeitsplatz und Jurisprudenz«, daher fragte sie mich: »Wie kommst du in London zurecht?«
»Bestens.«
»Kannst du bis September abwesend sein?« »Ich habe mir eine Auszeit genommen.« »Du willst also zurückkehren?«
Meine Zukunftspläne schienen andere Leute mehr zu interessieren als mich selbst. Vielleicht war es an der Zeit, dass ich meine Überlegungen in Worte fasste, und so gab ich eine sowohl wahrheitsgemäße als auch unzweideutige Antwort: »Als ich aus London abgereist bin, dachte ich wirklich, ich würde dorthin zurückkehren. Aber jetzt, da ich hier bin, habe ich beschlossen, in den USA zu bleiben. Darüber hinaus habe ich noch keine festen Pläne. Allerdings habe ich ein Jobangebot.«
Sie schwieg eine Weile, dann sagte sie: »Das freut mich zu hören. Was für ein Angebot?«
Statt zu sagen: »Consigliere für den neuen Don Bellarosa«, antwortete ich: »Darüber zu reden, bevor es spruchreif ist, bringt Unglück.«
Sie warf mir einen kurzen Blick zu und fragte sich vermutlich, seit wann ich abergläubisch war. »Sag mir Bescheid, wenn es so weit ist«, sagte sie. »Wird gemacht.«
»Aber du solltest dir den Sommer frei nehmen.«
Susan war wie die meisten Menschen, die in Familien mit altem Geld geboren waren, völlig ahnungslos, was dieses Thema anging, daher kam sie gar nicht auf den Gedanken, dass ich es mir möglicherweise nicht leisten konnte, drei Monate an meiner Bräune zu arbeiten. Wenn man ein bisschen knapp bei Kasse ist, verkauft man einfach eine Jahresrente. Wo liegt das Problem?
Und um beim Thema Stanhopes, Geld und Arbeitsethos zu bleiben: Edward und Carolyn bezogen alljährliche Treuhandfondsausschüttungen und mussten eigentlich nicht arbeiten, aber sie taten es, um ihrem Leben einen Sinn zu geben und etwas Interessantes oder Nützliches für die Gesellschaft zu leisten.
Susans Bruder Peter hingegen war ein völlig nutzloses Menschenwesen, das sein Leben und seine Treuhandfondsausschüttungen damit vergeudete, die Kunst des Müßiggangs zu vervollkommnen, von Tennis, Golf und Surfen einmal abgesehen -das hielt ihn wenigstens körperlich in Form, während sein Verstand verkümmerte.
Peter war kein gutes Vorbild für seine Nichte und seinen Neffen. Gottlob wussten sie das.
Und dann war da noch William, der es geschafft hatte, das Rentenalter zu erreichen, ohne auch nur einen Tag in seinem Leben gearbeitet zu haben, von der Verwaltung des Familienvermögens einmal abgesehen. Gerechterweise muss ich hinzufügen, dass es die zweijährige Dienstzeit bei der Küstenwache gab, die wegen des leidigen Krieges obligatorisch gewesen war.
Und wir sollten Charlotte nicht vergessen, die sowohl eine Debütantin als auch eine Dilettantin gewesen war, bevor sie William heiratete und eine
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