Nelson DeMille
ich war mit meinen Steuerproblemen beschäftigt, und ich war viel zu vertrauensselig. Ganz zu schweigen davon, dass ich viel zu sehr von mir eingenommen war, um so etwas auch nur in Betracht zu ziehen.
Und ich konnte kaum ahnen, dass mein Freund Frank Bellarosa dieses möglicherweise ruinöse und kriminelle Verfahren wegen Steuerhinterziehung gegen mich angezettelt hatte, damit er ein paar Fäden ziehen und mich rauspauken konnte, wodurch ich in seiner Schuld stand statt in der des IrS. Es war schlimm genug, dass ein Steueranwalt Steuerprobleme hatte, aber das Problem mit Hilfe eines Mafioso zu lösen war keine meiner schlaueren Unternehmungen. Andererseits klappte es.
Wie dem auch sei - ich hatte mit Sicherheit ein, zwei Lektionen über das Dasein und meine Wenigkeit gelernt, und über Verführung und Überleben. Nicht zu vergessen, dass ich an die alte Lektion über Macht und die Geheimnisse sexuellen Verhaltens erinnert worden war. Wer hätte denn auch ahnen können, dass Don Bellarosa, das Oberhaupt einer Mafiafamilie, und die aus einer etwas prominenteren Familie stammende Susan Stanhope viel miteinander zu bereden hatten? Hatten sie eigentlich auch nicht; es war eher eine Art »Du Jane, ich Tarzan«.
Vor uns tauchte jetzt der Stall auf, und ich fragte Susan: »Reitest du noch?«
Sie warf einen Blick in die Richtung, in die ich schaute, und erwiderte: »Ja, aber ich besitze kein Pferd. Ich reite ein bisschen auf einem Gestüt in Old Brookville.«
Ich nickte und dachte an die Nacht, in der sie Frank Bellarosa umgebracht hatte. Sie hatte ihren Araberhengst namens Sansibar gesattelt und mir mitgeteilt, dass sie einen nächtlichen Ausritt unternehmen wolle, was, wie ich sie warnte, gefährlich war, doch sie wies darauf hin, dass es eine helle Vollmondnacht sei, und ritt davon.
Etwa zwei Stunden später klingelte Mr Felix Mancuso vom FBI an meiner Tür und bat mich höflich, mit ihm zur Alhambra zu kommen. Ich ahnte gleich, was passiert war.
Mancusos Kollegen hatten Frank Bellarosa in seinem Haus gehütet, seit er ein Zeuge der Regierung geworden war, und sie hatten ihre Aufgabe gut erfüllt und ihn vor seinen ehemaligen Freunden und Goombahs beschützt. Leider hatte das FBI Mrs Sutter nicht auf die Liste mit den Leuten gesetzt, denen der Zugang zu Don Bellarosa verweigert wurde. Susan stand sogar weit oben auf der Liste der Leute mit uneingeschränktem Besuchsrecht, weil man den Bewachern die Anweisung gegeben hatte: »Frank muss vögeln, damit er gut gelaunt und redselig bleibt.« Irgendjemand allerdings hätte daran denken müssen, dass (a) die Weibchen der Art gefährlicher sind als die Männchen und (b) die Hölle keinen schlimmeren Zorn kennt als den einer verstoßenen Frau.
Tja, Männer vergessen das manchmal, selbst FBI-Männer, und gerechterweise muss man sagen, dass sie wahrscheinlich nichts von (b) wussten, bis sie die Schüsse hörten.
Susan, die jetzt neben mir herlief, dachte offenbar an Pferde und nicht an Frank Bellarosa oder einen Mord, denn sie sagte: »Es gibt jetzt weit weniger Orte, wo man reiten kann. So viele Reitwege wurden gesperrt, und viele der offenen Felder und alten Anwesen sind jetzt Wohngebiete.«
Wie zum Beispiel Alhambra. »Das ist schade«, sagte ich, um einen ernsten Tonfall bemüht. Ich entsann mich, dass Susans Sorge, nachdem sie ihren Geliebten erschossen hatte, unter anderem Sansibar galt, der immer noch hinter Franks Herrenhaus angebunden war. Ich musste ihr versprechen, dass ich ihn noch in derselben Nacht nach Hause ritt, was ich tat. Ich mochte das überzüchtete Vieh nicht, aber ich sattelte ihn ab und tränkte ihn, verzichtete allerdings auf das Bürsten, und wenn Susan das gewusst hätte, hätte sie mich umgebracht. Okay ... wieder eine etwas unglückliche Wortwahl.
Sie sagte: »Die Ganzes haben die Remise zu einer Garage umfunktioniert und in den Stallungen Gartengeräte gelagert, was auch ich mache.«
»Gute Idee.«
»Ich vermisse Sansibar wirklich. Mir fehlt ein eigenes Pferd. Vermisst du Yankee?«
Yankee war mein Pferd gewesen, und ich hatte es nur etwas weniger als Sansibar gehasst, dennoch erwiderte ich: »Ich denke oft an ihn.«
Sie warf mir einen kurzen Blick zu, bevor sie sagte: »Tja, ich habe eine gutes Zuhause für sie gefunden.«
Ich war froh, dass wenigstens die Pferde ein gutes Zuhause bekommen hatten.
Es war ein perfekter Morgen, was das Wetter betraf, und ich hatte vergessen, wie herrlich diese parkartigen Ländereien sein konnten.
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