Nelson DeMille
Desinteresse und ihrer Abscheu gegenüber Nachrichten. Ihr Motto war die berühmte Feststellung, dass man, wenn man über ein Eisenbahnunglück gelesen hat, über alle Bescheid weiß. Wenn man natürlich bei einem Eisenbahnunglück dabei war, könnte man es interessant finden, etwas über dieses spezielle zu lesen. Ihr mangelndes Interesse an Nachrichten hing mit ihrer Herkunft aus einer Gesellschaftsschicht zusammen, in der man glaubte, der Name einer Frau sollte nur dann in den Zeitungen erscheinen, wenn sie geboren wurde, heiratete oder starb. Folglich blieb damit nicht viel Platz für Geschichten über den Mord am Geliebten übrig. Auf jeden Fall glaubte ich ihr, wenn sie sagte, sie hätte keine Ahnung, dass Salvatore D'Alessio der Mann gewesen war, der uns in Little Italy den Abend verdorben hatte. Auch ich hatte es ihr gegenüber niemals erwähnt. »Wieso hast du das zur Sprache gebracht?«, fragte sie.
»Weil ich glaube, dass ... Anthony Bellarosa seinem Onkel möglicherweise Übles will. Umgekehrt könnte es sein, dass sein Onkel mit Anthony das zu Ende bringen will, was er mit Frank vor Giulio's angefangen hat.«
Eine Zeitlang schwieg sie, dann stellte sie fest: »Aber sie ... sie haben zusammen gegessen.«
»Nun ja, die D'Alessios sind nicht bis zum Essen geblieben, aber ich bin mir sicher, dass sie irgendwann schon mal gemeinsam gespeist haben.« Ich erklärte es mit Frank Bellarosas eigenen Worten: »Das eine hat mit dem andern nichts zu tun.«
»Naja, aber natürlich, John. Wenn dieser Mann versucht hat -«
»Susan, versuch nicht mal, es zu verstehen.« Ich dachte daran, ihr als Beispiel einen von mir in Auftrag gegebenen Mord an ihrem Vater zu nennen, aber das wäre eher eine Phantasievorstellung als eine gute Analogie, deshalb sagte ich: »Meiner Meinung nach sieht es so aus, dass diese ... Vendetta zehn Jahre lang geruht hat und sich möglicherweise bald zuspitzt. Folglich könnte Anthony eine Weile schwer beschäftigt sein, indem er versucht, am Leben zu bleiben, und gleichzeitig Pläne schmiedet, um seinen Onkel daran zu hindern.« Susan ging nicht darauf ein, deshalb schloss ich: »Zumindest glaube ich das.«
Sie starrte auf den Rosengarten und sagte: »Das ist unglaublich.«
»Ich wollte dir nur klarmachen, was geschehen kann.« Und dich ein bisschen wachrütteln. »Aber das betrifft uns nur insofern, als Anthony womöglich nicht mehr lange nebenan lebt.« Oder überhaupt noch lebt. »Damit ist das Thema beendet. Irgendwas Neues über Ethel?«
»Nein ... John, was genau hast du zu Anthony gesagt, und was hat er zu dir gesagt?«
»Das erzähle ich dir beim Abendessen.«
»In Ordnung... «
»Was gibt's zum Essen?«
»Ich habe meine Spezialität gemacht«, teilte sie mir mit. »Eine Reservierung.«
»Klasse. Wann?«
»Um sieben.«
»Und wohin gehen wir?«
»Ich dachte, du würdest vielleicht gern im Seawanhaka essen. Der alten Zeiten wegen.«
Ich dachte über meinen ehemaligen Yachtclub nach und hatte, ehrlich gesagt, gemischte Gefühle. Andererseits waren mit dem Club schöne Erinnerungen verbunden - Partys, Hochzeitsfeiern, das alljährliche Grillfest am vierten Juli draußen auf dem Rasen, mit Blick auf Oyster Bay Harbor, und außerdem hatten Susan und ich uns dort anlässlich der Gast 'sche n Hochzeit kennengelernt. Und dann waren da noch die höchst angenehmen Erinnerungen an großartige Segeltörns mit meiner zehn Meter langen Morgan, der ursprünglichen Paumanok, an der ich so
hing, dass ich sie lieber in der Bucht versenkte, als sie vom iRs wegen Steuerschulden beschlagnahmen zu lassen. Außer diesem letzten Törn mit der Paumanok waren keine schlechten Erinnerungen mit dem Yachtclub verbunden, aber ich wusste nicht, ob ich noch mal dorthin wollte; ich wollte es so lassen, wie es war.
»John? Ist dir das recht?« »Vielleicht ein andermal.«
»Jetzt ist der richtige Zeitpunkt. Ich möchte, dass wir uns bis ans Ende unseres Lebens an diesen Tag erinnern, und ich möchte, dass wir bei Sonnenuntergang auf der hinteren Terrasse sitzen und einen Drink in unseren Händen halten, wenn er zu Ende geht.«
»Na schön ... aber wenn jemand zu mir sagt: >John, ich bin überrascht, dich hier zu sehen, nachdem du dein Leben ruiniert hast und davongelaufen bist<, kriegt er meine Faust zu spüren.«
Susan lachte. »Wenn das irgendjemand sagt, verprügeln wir ihn zusammen.«
»Abgemacht«, sagte ich. »Nun ja, ich muss mich frisch machen. «
»Ich habe deine Sachen ausgepackt und deine
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