Nelson DeMille
Aber nicht sehr kultiviert.« »Wer war sonst noch da?«
»Salvatore D'Alessio. Onkel Sal. Und seine Frau Marie. Bist du Ihnen mal begegnet?«
»Nein. Wie sollte ich ...« Dann fiel ihr offenbar ein, dass sie häufig zu Besuch in Alhambra gewesen war, und sie dachte einen Moment lang über die Dinge nach, die sie zehn Jahre lang versucht hatte zu vergessen, bis sie schließlich erwiderte: »Genau genommen ja. Ich bin ihnen begegnet. Als ich im Haus war.« Sie erklärte: »Ich habe im Palmenhof gemalt.« Damit wollte sie es auf sich beruhen lassen, spürte aber wohl, dass sie mir alles anvertrauen sollte, und fuhr fort: »Sie haben vorbeigeschaut, und Anna hat sie mir vorgestellt, aber wir haben nicht miteinander gesprochen. Er war ein furchteinflößender Mann.«
»Ist er immer noch.«
»Ich hole dir einen Drink«, sagte Susan. »Was möchtest du?« »Einen Pink Squirrel.« »Wie macht man den?«
»Gieß vier Unzen Scotch in ein Glas und gib Eiswürfel dazu.« »In Ordnung ... bin gleich wieder da.«
Sie ging hinein, und ich dachte über Susans Begegnung mit Salvatore D'Alessio nach und fragte mich, ob ihr jemals der Gedanke gekommen war, dass sie sich in eine Welt begeben hatte, in der sie nichts zu melden hatte und nicht Lady Stanhope war. Eigentlich war sie nichts weiter als die Geliebte des Dons, und das war mit keinem großen Prestige verbunden. Es war unglaublich, wenn man bedachte - und das hatte ich -, dass sich Susan Stanhope, die ein derart behütetes und privilegiertes Leben geführt hatte und hochnäsig war, so weit herabließ und zum Sexspielzeug eines mächtigen, aber ungehobelten Mannes wurde. Nun gut, die Geschichte wimmelt von edlen Damen, die das getan haben - die Gemahlin eines römischen Kaisers wurde nachts zur Prostituierten -, und ich nehme an, ein klinischer Psychologe hätte angesichts dieser interessanten Dichotomie einen Freudentag gehabt. Vielleicht wollte Susan es Mommy und Daddy heimzahlen. Vielleicht hatte ich vergessen, ihr ein Kompliment zu einem neuen Kleid zu machen. Oder aber, und das war am wahrscheinlichsten, sie hatte keine Ahnung, warum sie sich einen Kriminellen als Liebhaber nahm. Der Verstand ist, wie man so schön sagt, das stärkste Aphrodisiakum, und niemand weiß, wie er funktioniert.
Susan kehrte mit einem Tablett zurück, auf dem ein Glas Weißwein und mein Scotch standen. Sie stellte das Tablett auf den Tisch, wir hoben unsere Gläser, stießen an, und sie sagte: »Auf uns.«
Ich fügte hinzu: »Zusammen, auf ewig.«
Ich trank einen Schluck Scotch, und Susan erklärte mir: »Das ist dein Scotch. Ich habe ihn, seit... ich umgezogen bin.«
Ich nehme an, weder einer ihrer Freunde noch ihr verstorbener Gatte trank Scotch. Oder sie erzählte mir eine kleine Notlüge, damit ich den Eindruck gewann, die letzten zehn Jahre wären nur ein kleiner Misthaufen auf dem Weg zum lebenslangen Glück gewesen. Nichtsdestotrotz sagte ich: »Ist durch das Altern besser geworden.« Ich wollte noch hinzufügen: »Du ebenfalls«, aber bei Frauen muss man mit solchen Komplimenten vorsichtig sein.
»Inwiefern unterscheidet sich ein Pink Squirrel von Scotch on the rocks?«, fragte sie.
»Hauptsächlich durch die Schreibweise.«
Sie lächelte. »Es wird eine Weile dauern, bis ich mich wieder an deinen infantilen Humor gewöhnt habe.« »Infantil? Ich werde dir -«
Sie küsste mich auf den Mund und sagte: »Herrgott, habe ich dich vermisst. Ich habe alles an dir vermisst.« »Ich auch.«
Und so standen wir da, hielten Händchen, schauten auf den sonnigen Garten und tranken. Irgendwann fragte sie mich: »Wie war ihr Haus?«
»Nicht übel, aber ich habe nicht beim Maklerbüro vorbeigeschaut.« Um auf ein vorheriges Thema zurückzukommen, fragte ich: »Hast du gewusst, dass Salvatore D'Alessio als Hauptverdächtiger bei dem Vorfall vor Giulio's galt?«
Sie warf mir einen kurzen Blick zu. »Nein. Du meinst... sein eigener Schwager?«
»Ganz recht. Du hast nie davon gehört?«
»Wo hätte ich das hören sollen?«
Nun ja, vom Betroffenen, dem Opfer in spe, deinem Geliebten. Aber ich erwiderte: »Aus der Zeitung.«
Sie antwortete ein paar Sekunden lang nicht, dann sagte sie: »Ich habe die Nachrichten nicht verfolgt.«
»Okay.« Ich meine mich sogar zu erinnern, dass sie ein paar Wochen später nicht einmal die größere Geschichte über Susan Stanhope verfolgt hatte - und das nicht etwa, weil sie es nicht ertragen konnte, darüber zu lesen; es lag eher an Susans grundsätzlichem
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