Nelson DeMille
nachmittags mit Frank Bellarosa geschlafen hatte, bevor sie sich mit mir ein paar Drinks gönnte.
Ich bremste ab, als ich mich meiner ehemaligen Kanzlei näherte, wo ich ein, zwei Tage die Woche zugebracht hatte, um nicht ständig in die Stadt pendeln zu müssen. Die Filiale von Perkins, Perkins, Sutter und Reynolds in Locust Valley befand sich in einer Viktorianischen Villa am Stadtrand. Die Villa war noch da, und es befand sich immer noch eine Anwaltskanzlei dort, aber auf dem prächtigen Schild im Vorgarten stand jetzt JOSEPH P. BITET & JUSTIN W. GREEN, RECHTSANWÄLTE.
Ich kannte die Namen nicht und war ein bisschen schockiert, als ich meinen nicht sah.
Wenn das eine Folge von Unheimliche Geschichten wäre, würde ich jetzt in das Haus gehen und feststellen, dass dort andere Möbel standen. Dann würde ich zur Empfangsdame sagen: »Wo ist Kathy?«, und die gute Frau würde mich verdutzt anschauen und erwidern: »Wer?«
»Meine Empfangsdame.«
»Sir? Womit kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Ich bin John Sutter. Das ist meine Kanzlei. Warum steht meine Name nicht auf dem Schild?«
Und die gute Frau würde sagen: »Einen Moment, Sir«, dann verschwinden und die Polizei rufen, die prompt anrücken und mich wegbringen würde, während ich zeterte, dass dies meine Kanzlei sei, und verlangte, dass man meine Sekretärin sucht oder meine Frau anruft, um die Sache zu klären. Dann würde Rod Serling aus dem Off sagen: »John Whitman Sutter dachte, er käme gerade von der Mittagspause in seine Kanzlei zurück - aber er war länger weg ... in einer unbekannten Dimension.«
Ich kehrte um und fuhr zur Ortsmitte. Niemand, der westlich des Hudson aufgewachsen war, würde, wenn es ihn in diese Kleinstadt verschlüge, die Birch Hill Road für eine typische amerikanische Hauptstraße halten. Zum einen gab es hier eine ungeheure Anzahl importierter Luxuswagen, und bei den Läden handelte es sich, wie ich feststellte, noch immer größtenteils um Antiquitätenhandlungen, Boutiquen, Galerien und Restaurants, und nirgendwo war ein Starbucks zu sehen.
Ich hatte Locust Valley gemieden, weil ich hier wahrscheinlich immer noch einen Haufen Leute kannte, aber jetzt war ich da. Ich konnte mir eine zufällige Begegnung mit einem ehemaligen Freund oder Nachbarn vorstellen. »Hallo, John, wo bist du denn gewesen, alter Knabe?«
»Mit meinem Boot rund um die Welt, danach in London. Ich bin vor etwa zehn Jahren weggezogen.«
»Ist das schon so lange her? Wie geht's Susan?«
»Wir haben uns scheiden lassen, nachdem sie ihren Mafia- Geliebten erschossen hat.«
»Stimmt. Verdammt schade. Ich meine, die Scheidung. Warum essen wir nicht im Club zu Mittag?«
»Ich darf mein Leben lang keinen Fuß mehr in den Creek oder den Seawanhaka setzen.«
»Was du nicht sagst. Tja, war wunderbar, dich zu sehen, John. Sag mir Bescheid, wenn du mal Zeit hast.«
»Ich schicke jemanden mit ein paar Terminen vorbei. Ciao.«
Ich bog in die Forest Avenue ab und fand einen Parkplatz in der Nähe von Ralfs German Delicatessen, wo ich immer eingekehrt war, wenn ich Susans Bio-Kompost satthatte.
Ich freute mich, als ich sah, dass es das Deli noch gab, aber als ich drin war, stellte ich fest, dass eine mexikanische Invasion stattgefunden hatte und auf der Speisekarte kein englisches Wort mehr stand.
Trotzdem bestellte ich auf meine schroffe New Yorker Art. »Schwarzwälder Schinken, Munster und Senf auf Pumpernickel.«
»Mister?«
»Nein, Munster.«
»Muster.«
»Nein. Guter Gott, Mann, ich will ein Sandwich. Welchen Teil der Bestellung ha ben Sie denn nicht verstanden?«
»Schaweschi. Ja?«
Ich hörte die Musik von Unheimliche Geschichten und flüsterte: »Wo ist Rolf? Was habt ihr mit Rolf gemacht?«
Er machte einen Witz und sagte: »Er weg, Amigo.«
»Das sehe ich.« Weil ich kein in Mexiko belegtes deutsches Sandwich wollte, sagte ich: »Geben Sie mir einen Kaffee mit leche. Milko. Okay?« »Okay.«
Ich bekam meinen Kaffee und ging.
Ein paar Häuser weiter war ein neues Feinkostgeschäft, und während ich meinen Kaffee trank, ging ich auf das Schaufenster zu, um die Speisekarte zu lesen. Plötzlich wurde die Tür geöffnet, und Susan Stanhope Sutter kam heraus. Ich blieb sofort stehen und spürte einen Stich in meiner Brust.
Sie war knapp fünf Meter entfernt und hätte mich gesehen, wenn sie nicht in ihr Handy gesprochen hätte.
Ich zögerte. Aber da ich bereits über so etwas nachgedacht hatte, beschloss ich, hinzugehen und sie zu
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