Nelson DeMille
doch davon ausgehen, dass es keine Schwierigkeiten gibt, Anthony?«
Er hielt meinem Blick stand. »Wenn ich damit ein Problem hätte, Mr Sutter, würde es auch keine Rolle spielen, wenn sie auf dem Mond lebt. Capisce?«
Jetzt war ich mir sicher, dass ich mit dem jungen Don sprach, daher sagte ich: »Das ist der Gefallen, den Sie mir tun können.«
Er dachte einen Moment lang nach, bevor er sagte: »Ich weiß nicht, was zwischen den beiden vorgefallen ist, aber es war was Persönliches. Und wenn es um was Persönliches zwischen Mann und Frau geht, dann ... lassen wir's durchgehen. Da gibt's keinerlei Probleme.«
Mir fiel ein, dass es durchaus Probleme gab, wenn Frank früher behauptet hatte, es gäbe keine. Aber ich ließ es vorerst durchgehen, nahm mir jedoch vor, bei Anthony diesbezüglich nachzuhaken und ihm klarzumachen, dass er meine Exfrau nicht umlegen sollte. Ich meine, sie hatte mir in letzter Zeit keinen Gefallen getan, aber wie schon gesagt, sie ist die Mutter meiner Kinder. Ich könnte Anthony darauf hinweisen, aber dann würde er mich vielleicht daran erinnern, dass Susan ihm den Vater genommen hatte. Es ist schier unglaublich, wenn man's recht bedenkt, wie viel Leid entsteht, weil Zapfen A in Loch B gesteckt wurde.
Auf jeden Fall hatte ich genug von Erinnerungen, und ich hatte meinen wesentlichen Punkt vorgebracht, daher stand ich auf und sagte: »Danke, dass Sie vorbeigekommen sind.«
Er stand ebenfalls auf, worauf wir in die Diele gingen. Ich legte meine Hand auf den Türknauf, aber er machte keine Anstalten, zu gehen. »Haben Sie Ihre Frau schon gesehen?«, fragte er mich.
»Meine Exfrau. Nein, noch nicht.«
»Tja, werden Sie aber. Sie können ihr bestellen, dass alles okay ist.«
Ich ging nicht darauf ein, musste aber an Susan Stanhope Sutter denken, die vermutlich keinen Gedanken daran verschwendet hatte, dass sie in eine Gegend zurückzog, in der sie einen Mafia-Don ermordet hatte. Und mittlerweile müsste sie erfahren haben, dass Anthony auf dem alten Alhambra-Anwesen wohnte. Vielleicht hatte sie vor, Anthony einen etwas verspäteten Kondolenzbesuch abzustatten, nachdem sie schon nicht bei der Beerdigung ihres Geliebten gewesen war. Ich meine das gar nicht witzig; Susan ist dem typischen Denken der Oberschicht verhaftet und glaubt, wenn man einen Mann erschießt, heißt das noch lange nicht, dass man nicht höflich zu seinen Freunden und Verwandten sein sollte.
»Vielleicht können wir abends mal zusammen essen gehen«, schlug Anthony vor.
»Wer?«
»Wir.«
»Warum?«
»Einfach, um zu reden.« »Worüber?«
»Meinen Vater. Er hat Sie wirklich geachtet.«
Ich war mir nicht sicher, ob es mir in Bezug auf Don Bellarosa genauso ging. Ich meine, er war nicht von Grund auf schlecht. Genau genommen war er ein guter Ehemann und Vater, wenn man von seinen außerehelichen Affären und dem Einstieg seines Jüngsten ins organisierte Verbrechen einmal absah. Und er konnte ein guter Freund sein, abgesehen von seinen Lügen und Mauscheleien, von dem Verhältnis mit meiner Frau gar nicht zu reden. Außerdem hatte er Sinn für Humor und lachte über meine Witze, was seine Intelligenz bewies. Aber hatte ich ihn geachtet? Nein. Aber gemocht.
»Mein Vater hat Ihnen vertraut«, sagte Anthony.
Ich bin mir sicher, dass Anthony wirklich etwas über seinen Vater wissen wollte; aber er wollte auch mehr über mich wissen - und warum sein Vater so viel von mir gehalten hatte. Und dann ... tja, dann würde er mir wie sein Vater ein Angebot machen, das ich nicht abschlagen sollte. Oder war ich egoistisch beziehungsweise zu argwöhnisch, was Anthonys gutnachbarlichen Besuch anging?
Anthony sah, dass ich zögerte, daher sagte er: »Ich betrachte das als einen Gefallen.«
Ich erinnerte mich, dass diese Leute großen Wert auf Gefallen legten, egal, ob man jemandem einen anbietet oder sich einen erweisen lässt, daher durfte ich das nicht auf die leichte Schulter nehmen. Andererseits musste ein Gefallen durch einen anderen vergolten werden, wie ich vor zehn Jahren auf die harte Tour gelernt hatte. Daher konnte nichts Gutes für mich dabei herauskommen, wenn ich mich weiter mit Anthony Bellarosa abgab.
Aber ... ihn abblitzen zu lassen war möglicherweise auch keine gute Idee, was meine Sorgen um Susan anging. Und wenn ich sehr paranoid war, sollte ich auch an meine Sorgen in Bezug auf Salvatore D'Alessio denken. Wie Frank mir einmal erklärt hatte: »Alzheimer auf Italienisch heißt, dass man alles vergisst,
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