Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nelson DeMille

Nelson DeMille

Titel: Nelson DeMille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Vermächtnis
Vom Netzwerk:
begrüßen.
    Susan saß an einem kleinen Cafetisch vor dem Laden und packte, während sie immer noch telefonierte, ihr Essenspaket aus. Lady Stanhope stellte importiertes Mineralwasser und einen Salat hin und legte ihre Papierserviette und die Plastikutensilien genau so zurecht, wie es sich an einer gutgedeckten Tafel gehörte.
    Es war vier Jahre her, seit ich sie bei der Beerdigung meiner Tante Cornelia zum letzten Mal gesehen hatte, und ihre roten Haare waren kürzer als in meiner Erinnerung, und sie war so braun gebrannt, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Ihren Schmollmund hatte sie mit blassrosa Lipgloss geschminkt, und die grünen Katzenaugen wirkten im Sonnenschein noch immer wie Smaragde. Ich ertappte mich dabei, dass ich an die Nacktfotos von ihr auf dem Boot dachte.
    Ich verdrängte die Bilder und bemerkte, dass sie eine der in Locust Valley üblichen Aufmachungen trug - eine braune Hose und ein grünes Polohemd, an dem eine Sonnenbrille hing. Sie trug eine Sportuhr, aber ansonsten keinen Schmuck, nicht einmal einen Witwenring, und auf dem Tisch stand eine, wie ich meinte, Coach-Handtasche, die den Gesamteindruck vervollständigte; schlicht und nicht zu schick für einen Nachmittag in der Ortschaft. Vor allem aber wies er darauf hin, dass sie der Gentry angehörte, dem alteingesessenen Geldadel, und keine Städterin war.
    Ich holte tief Luft und trat einen Schritt auf sie zu, aber bevor ich in die Gänge kam, ging die Ladentür auf, und eine andere Frau kam heraus, warf mir einen kurzen Blick zu, drehte sich dann zu Susan um und setzte sich ihr gegenüber.
    Susan beendete ihren Anruf, worauf sie und ihre Tischgenossin miteinander plauderten.
    Ich wusste nicht, wer die Frau war, aber ich kannte den Typ. Sie wirkte etwas älter als Susan, war aber nach wie vor wie eine Privatschülerin gekleidet, hieß vermutlich Buffy, Suki oder Taffy und war fest davon überzeugt, dass man nie zu reich oder zu schlank sein konnte.
    Ich verstand nicht, was sie sagten, stellte aber fest, dass Taffy (oder wie sie hieß) den hiesigen Dialekt sprach, gemeinhin auch Locust-Valley-Kieferlähmung genannt. Das ist ein hauptsächlich bei Frauen auftretendes Gebrechen, von dem manchmal aber auch Männer befallen werden, und es tritt für gewöhnlich bei gesellschaftlichen Ereignissen auf, wenn die Sprecherin die Zähne zusammenbeißt und beim Reden nur die Lippen bewegt. Dabei entsteht ein nasaler Tonfall, der erstaunlich deutlich und verständlich ist, es sei denn, die S precherin hat eine Nasenscheide wand - Verkrümmung.
    Taffys Mittagsmahl bestand aus Mineralwasser und Joghurt mit fünf Weintrauben, die sie aus einer tausend Dollar teuren Handtasche pflückte. Sie und Susan wirkten unbefangen, aber ich konnte nicht feststellen, ob sie über etwas Leichtes, Männer zum Beispiel, oder etwas Wichtiges wie Einkaufen redeten.
    Ich hatte mit einem Mal das Bedürfnis, zu ihnen zu gehen und irgendetwas Unfeines zu Taffy zu sagen, wie zum Beispiel: »Hi, ich bin John Sutter, Susans Exmann. Ich habe mich von ihr scheiden lassen, weil sie mit einem Mafioso getickt und ihn anschließend erschossen hat.«
    Aber Taffy wusste das wahrscheinlich, weil sich so ein Skandal weder unterdrücken noch verdrängen ließ. Diese Gegend lebte von Klatsch und Skandalen, und wenn jeder, der etwas Skandalöses getan hatte, geächtet werden würde, wären die Country Clubs leer und die Hauspartys erbärmlich besucht.
    Es gab allerdings Grenzen des schlechten Benehmens, und dass die Sutters die Bellarosas einmal zum Abendessen in den Creek Club mitgenommen hatten, gehörte dazu. Andererseits war es höchst unwahrscheinlich, dass Mrs Sutter von der A-Liste gestrichen wurde, nur weil sie eine Affäre mit Mr Bellarosa eingegangen war. Vielmehr wäre ihre Anwesenheit bei Wohltätigkeitsveranstaltungen, Cocktailpartys und Damenkränzchen höchst erwünscht. Und dass sie ihren Geliebten erschossen hatte, nun ja, das war auch nichts ganz Neues, und wenn man das Ganze ein bisschen zurechtfrisierte, konnte man ein lumpiges Verbrechen aus Leidenschaft als eine Ehrensache verkaufen. Kurzum, es lief darauf hinaus, dass Susan Suttereine Stanhope war, ein Name, der auf ewig im Blaubuch eingeschrieben stand. Wenn man ihn durch einen anderen hiesigen Familiennamen ersetzt - Vanderbilt, Roosevelt, Pratt, Whitney, Grace, Post, Hutton, Morgan, was auch immer -, versteht man allmählich die ungeschriebenen Gesetze und Privilegien.
    Ich betrachtete Susan und Taffy, die aßen und

Weitere Kostenlose Bücher