Nelson DeMille
aber nichtsdestotrotz Mistkerle waren. Das Thema schien sich in meiner Abwesenheit erledigt zu haben, denn die Grace Lane war jetzt einwandfrei asphaltiert.
Ich fuhr nach Süden, in Richtung Locust Valley, wo ich haltmachte, um etwas für Ethel zu kaufen. Man sollte zu einem Besuch nicht mit leeren Händen kommen, aber mir fiel nie etwas anderes als Wein ein, und das wäre unpassend gewesen; und Blumen hätten womöglich etwas verfrüht gewirkt.
Ethel las gern, daher könnte ich bei einer Buchhandlung vorbeischauen, aber ich sollte nichts kaufen, was zu lang war, wie zum Beispiel Krieg und Frieden. Sie mochte auch Obst, aber ich sollte keine grünen Bananen kaufen. Na schön, ich war nicht sehr nett, aber angesichts des dräuenden Sensenmannes hilft ein bisschen Humor - selbst schwarzer Humor - den Lebenden und den Toten, damit umzugehen. Richtig? Vielleicht also hätte sie an einem Geschenkgutschein der Weight Watchers einen Heidenspaß.
»Liebe Ms Post, ich muss eine alte Dame im Hospiz besuchen, deren noch verbleibender Aufenthalt auf Erden mit der Stoppuhr gemessen werden kann. Warum sollte ich mich darum bemühen, ihr irgendetwas mitzubringen? (Unterzeichnet) VALI. PS: Ich mag sie nicht.«
»Lieber VALI, gute Manieren enden nicht an der Schwelle des Todes. Eine Schachtel Pralinen wäre ein angemessenes Geschenk; wenn sie sie nicht essen kann, so können es ihre Besucher. Wenn sie stirbt, bevor Sie bei ihr waren, lassen Sie die Pralinen und Ihre Visitenkarte bei der Dame am Empfang. Auf den guten Willen kommt es an. (Unterzeichnet) Emily Post. PS: Bemühen Sie sich um Wiedergutmachung, falls sie bei Bewusstsein ist.«
Ich bog auf die Skunks Misery Road ab und war nach ein paar Minuten in Locust Valley. Ich hasse es, wenn ich irgendwas einkaufen muss, Karten und kleine Geschenke eingeschlossen, daher wurde meine Laune schlechter, als ich die Forest Avenue und die Birch Hill Road entlangkutschierte und nach einem Laden suchte, in dem es Schokolade gab. Ich sah mindestens ein Dutzend weißer SUV, die Susans hätten sein können, und mir fiel ein, dass sie sich auf so was verstand. Falls ich ihr also über den Weg laufen sollte, würde ich sie um Rat bitten. Der letzte Geschenktipp, den ich von ihr bekommen hatte - anlässlich von Carolyns Abschluss an der juristischen Fakultät von Harvard -, lautete, dass das T-Shirt, das ich in London für Carolyn gekauft hatte und auf dem in Shakespeares Worten stand: »Lasst uns zuallererst sämtliche Anwälte umbringen«, kein gutes Geschenk für eine frischgebackene Juristin sei. Möglicherweise hatte sie recht.
Jedenfalls gab ich die Suche nach Schokolade auf, parkte und ging in einen Blumenladen. Eine hübsche junge Frau hinter dem Ladentisch fragte, ob sie mir behilflich sein könne, worauf ich ohne jede Vorrede erwiderte: »Ich brauche etwas für eine alte Dame, die im Hospiz liegt und nicht mehr viel Zeit hat.« Ich warf einen Blick auf die Uhr, um der Sache Nachdruck zu verleihen.
»Ich verstehe ... und -«
»Ich mag sie nicht besonders.«
»Na schön ... dann -«
»Vielleicht wäre ein Kaktus angemessen, aber sie wird noch andere Besucher haben, deshalb brauche ich etwas, das nett aussieht. Es muss nicht lange halten.« »Ich verstehe. Vielleicht -«
»Es darf nicht wie ein Beerdigungsbukett aussehen. Oder?« »Nein. Sie wollen ja nicht... Warum lassen wir nicht die Finger von Blumen und nehmen eine hübsche Topfpflanze?« »Wie wär's mit Schierling?«
»Nein, ich dachte an die kleine Zimmertanne da drüben. Immergrüne Pflanzen sind ein Symbol für das ewige Leben.« »Wirklich?«
»Ja, genau wie, tja, ein Weihnachtsbaum.« »Weihnachtsbäume werden braun.« »Das kommt, weil man sie absägt. Wir liefern viele immergrüne Pflanzen in das Hospiz.«
»Tatsächlich?«
»Ja. Sie riechen gut. Und die Angehörigen können sie danach als Andenken mitnehmen.« »Nach was?«
»Nachdem ... die ... Betreffende ... « Sie wechselte das Thema und fragte: »In welchem Hospiz befindet sich die Dame?« »Fair Häven.«
»Wir können die Pflanze für Sie liefern.«
»Eigentlich bin ich gerade auf dem Weg dorthin, und sie ist ein bisschen groß zum Tragen, daher ...« Ich blickte mich um und sah in der Ecke ein Regal voller Plüschtiere, darunter auch ein paar Teddybären, die hier sehr beliebt waren, weil der Mann, der als Vorbild für den Bären diente, Teddy Roosevelt, im nahe gelegenen Oyster Bay lebte. Ich nahm den bestaussehenden Bären vom Regal, setzte ihn auf
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