Nelson DeMille
überprüfen und dann mit mir darüber zu sprechen, bevor sie ihn an Sie aushändigt.«
»Ach, tatsächlich? Und warum haben Sie das getan, wenn ich fragen darf?«
»Nun, wie schon gesagt, hat Ethel mit mir - ganz allgemein - über den Inhalt des Briefes gesprochen, und sie war sich selbst nicht sicher, ob Sie ihn sehen sollten.«
»Nun ja, soweit ich von Elizabeth gehört habe, hat ihre Mutter sie angewiesen, mir den Brief nach ihrem Tod zu geben.«
»Aha ... nun, dann scheint es da gewisse Unklarheiten zu geben.«
»Meiner Meinung nach nicht. Aber ich kläre das mit Elizabeth.«
Pater Hunnings schien mit sich zu ringen, dann sagte er: »Dieser Brief... könnte möglicherweise etwas enthalten, das man als Klatsch auslegen könnte ... oder einen Skandal.« Er schaute mich an. »Nicht gerade das, womit sich eine gute Christin wie Ethel Allard abgeben oder was sie der Nachwelt hinterlassen sollte.«
Warum nicht? Ich liebe Klatsch und Skandale. Wo ist mein Brief? »Ethel ist tot«, wandte ich ein.
»Weder Elizabeth noch ich möchten, dass das Andenken an ihre Mutter ... sagen wir, in irgendeiner Weise beschmutzt wird. Deshalb möchte Elizabeth den Brief natürlich zuerst lesen.«
Ich fragte mich, wer sie auf die Idee gebracht hatte. Naja, wenn Pater Hunnings nicht das Blaue vom Himmel herunter erzählte, dann ging es in dem Brief nicht um Geld. Klatsch ist mir lieber. Skandale sind auch gut. Es war Zeit zu gehen, daher fragte ich: »Sehen wir uns - und Mrs Hunnings - heute Abend in Elizabeths Haus?«
»Rebecca und ich wollen versuchen hinzukommen.«
»Gut.« Ich zog ab und suchte Susan, erzählte ihr aber nicht, worüber Pater Hunnings und ich gerade gesprochen hatten. Stattdessen fragte ich sie: »Sind die Kids ihren Großeltern in den Arsch gekrochen?«
»John, das ist ekelhaft.«
»Ich wollte sagen, waren Edward und Carolyn auf liebevolle Art und Weise mit Opa und Oma zugange?«
»Sie haben kurz miteinander gesprochen, aber Mom und Dad sind gegangen.« »Schon? Haben Sie sich nicht wohlgefühlt?« »Doch, aber ... das ist nicht ganz ihre Gesellschaft.«
»Ah. Lord und Lady Stanhope haben also bloß mal kurz vorbeigeschaut, um den Bauern Hallo zu sagen.«
»Bitte, John. Es war schön, dass sie überhaupt gekommen sind.«
»Ich glaube, sie sind hauptsächlich gekommen, um kurz mit Pater Hunnings zu sprechen. Deine Eltern haben heute Nachmittag einen Termin bei ihm.«
»Wirklich?« Susan dachte darüber nach, dann sagte sie: »Das ist wirklich unerhört.«
»Deinen Eltern geht es nur um dein Glück. Prinz John ist marschbereit.« Ohne darauf einzugehen, fragte sie: »Hast du Elizabeth gesehen?« »Nein, aber ich werde sie heute Abend sehen, und das wäre der passende Zeitpunkt, sie nach dem Brief zu fragen. Hoffentlich hat sie bessere Trauergäste eingeladen. Sind Edward und Carolyn eine Weile mit Betsy und Tom zusammen gewesen?«
»Das weiß ich nicht. Wieso drängst du so darauf?«
»Ich fände es großartig, wenn sie Leute aus ihrer Heimatstadt heiraten würden. So wie wir.«
»Das macht heute niemand mehr.«
»Schade. Wirklich nicht? Lass uns die Kids einsammeln.«
»Sie sind weg.«
»Sie haben kein Auto.«
»Sie hatten eine Mitfahrgelegenheit zum Bahnhof und mussten rasch aufbrechen, um den Zug zu bekommen, deshalb haben sie mich gebeten, dir auf Wiedersehen zu sagen. Sie wollen sich in der Stadt mit Freunden treffen.«
»Hast du ihnen gesagt, dass sie rechtzeitig daheim sein sollen, damit sie mit uns zu Elizabeth gehen können?«
»Sie bleiben über Nacht in Carolyns Apartment.«
»Na schön ... nun ja, sie haben sich wacker geschlagen. Sie sollten ein bisschen Zeit für ihre Freunde haben.«
»Eine Nacht weniger, in der sie im Haus sind.«
Ich schaute Susan an und nickte.
60
Susan hatte auf der Fahrt nach St. Mark's ihr Handy abgestellt - Telefonanrufe am Grab sind nicht gut -, und nach Gottesdienst und Beerdigung hatten wir beide vergessen, es wieder einzuschalten.
Susan dachte erst daran, auf das Display ihres Handys zu schauen, als wir gegen zwei Uhr nach Hause kamen und ins Büro gingen, um die E-Mails zu checken und den Anrufbeantworter abzuhören. »Ich habe vier Anrufe von Felix Mancuso ... den ersten um zehn Uhr siebenundvierzig«, sagte sie. Sie schaltete den Lautsprecher ein und spielte die erste Nachricht ab. Mancuso sagte: »Nun gut, damit Sie bezüglich Anthony Bellarosa auf dem Laufenden sind - ich war zeitig beim Bestattungsinstitut Papavero, und dort war niemand
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