Nelson DeMille
zu bleiben, mit ihrem schnurlosen Telefon auf dem Patio. Möglicherweise war sie auch im Keller und suchte nach Kleidung, die sie noch einpacken wollte, und da unten gab es kein Telefon.
Als ich nur noch ein paar Minuten von der Grace Land entfernt war, rief ich im Pförtnerhaus an, um dem Wachmann zu sagen, dass er das Tor öffnen sollte, aber niemand meldete sich. Vielleicht telefonierte der Wachmann auf der anderen Leitung, oder er war draußen oder auf dem Klo.
Ich lenkte den Wagen durch das sich öffnende Tor und warf im Vorbeifahren einen Blick zum Pförtnerhaus. Niemand trat aus der Tür, und ich setzte meinen Weg fort, schneller, als ich normalerweise auf der kurvigen, mit Schotter bestreuten Zufahrt zum Gästehaus fuhr. Ich war nicht nervös, aber besorgt.
Susans Lexus war fort, und ich atmete erleichtert auf. Gleichzeitig war ich wütend, weil sie mich nicht angerufen und Bescheid gesagt hatte, dass sie wegfuhr beziehungsweise dass sie überhaupt ausgegangen war. Frauen wollen einfach nicht hören. Ich stellte den Taurus ab, holte die Einkaufstüten aus dem Kofferraum, schloss die Haustür auf und ging hinein.
Dann wurde mir klar, dass das Unsinn war. Ich konnte mir gut vorstellen, dass Susan einfach in ihr Auto sprang und losfuhr, um eine Besorgung zu machen, aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie nicht so viel Verstand besaß, mich anzurufen. Ich zog ihr Handy aus der Tasche, um nachzusehen, ob ich einen Anruf von ihr verpasst hatte, aber auf dem Display stand lediglich die Uhrzeit: 18:42.
Ich warf einen kurzen Blick zum Schirmständer und stellte fest, dass der Karabiner fehlte.
Dann roch ich Zigarettenrauch.
Ich erstarrte, und mein Herz schlug schneller. Ich ließ die Einkaufstüten fallen, wich einen Schritt zurück, in Richtung Haustür, und wählte auf dem Handy die 9-1-1.
Aus meinem Büro trat Anthony Bellarosa und sagte: »Lass das Scheißtelefon fallen.«
Ich starrte ihn an. Er trug die blaue Uniform der All-Safe Security und hielt meinen Ml-Karabiner in den Händen - auf mich gerichtet. »Lass das Scheißtelefon fallen, oder du bist tot.«
Ich konnte kaum fassen, dass er wirklich dastand. Mancuso hatte gesagt, er wäre verreist, und außerdem hatte Mancuso gesagt, dass Anthony die Sache nicht persönlich übernehmen würde. Und ich hatte das geglaubt... aber ich war auch der Meinung gewesen, dass es hier um eine persönliche Sache ging. Anthony hatte mehr als Mord im Sinn.
»Lass das verfluchte Telefon fallen!«
Er schoss.
Ich hörte die Kugel an meinem linken Ohr vorbeifliegen und in die schwere Eichentür hinter mir einschlagen.
»Wenn ich dich umbringen wollte, wärst du längst tot. So wie mein Onkel. Aber zwing mich nicht dazu, dich umzubringen.« Er richtete das Gewehr auf meine Brust und sagte: »Fallen lassen.«
Ich ließ das Telefon fallen.
Er legte das Gewehr in die rechte Armbeuge. »Yeah, viel Mumm, aber nicht viel Köpfchen heute, John.« »Wo ist Susan?«
»Mit der ist alles okay. Die hab ich mir aufgehoben, bis du heimkommst.« »Anthony -«
»Halt die Fresse. Hast du 'ne Knarre?« Ich schüttelte den Kopf.
»Zieh die Jacke aus.«
Ich zog mein Sakko aus, und er sagte: »Wirf sie hin.« Ich ließ es zu Boden fallen. »Okay, zieh dich aus und zeig, was du hast.« Ich rührte mich nicht. »Zieh deine Scheißklamotten aus, oder ich baller dir die Kniescheiben weg.« »Wo ist Susan?«
Er lächelte. »Sie ist nackt, genauso, wie du es gleich bist. Genau wie wir alle. Komm schon. Ausziehen.«
Ich rührte mich immer noch nicht. Anthony war knapp fünf Meter von mir entfernt, zu weit, um ihn mir zu schnappen, bevor er einen Schuss abgeben konnte.
Er richtete das Gewehr auf meine Beine und gab zwei Schüsse ab. Ich spürte nichts, dann wurde mir klar, dass er beide Kugeln in eine der Einkaufstüten gefeuert hatte und irgendetwas Flüssiges auf den Boden tropfte.
»Das war die allerletzte Warnung. Zieh die Klamotten aus. Langsam.«
Ich schlüpfte aus meiner Kleidung und ließ sie auf den Boden fallen.
»Umdrehen!«
Ich drehte mich um.
»Okay, mein Hübscher. Keine Knarre, kein Sender. Du bist total angeschissen. Umdrehen!«
Ich drehte mich zu ihm um. Mein Herz hämmerte, und ich hatte einen trockenen Mund. Ich versuchte nachzudenken. Was hatte er vor? Warum war ich nicht tot? War mit Susan alles in Ordnung? Okay ... ich wusste die Antworten darauf.
Er trug ein Holster samt Pistole, und er hakte ein Paar Handschellen von seinem Waffengurt ab und warf sie
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