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Nelson DeMille

Nelson DeMille

Titel: Nelson DeMille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das Vermächtnis
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hatte seine Rohheit gut verborgen, obwohl ich sie ein paarmal selbst erlebt und auch durch FBI-Agent Mancuso davon erfahren hatte. Sein Sohn jedoch hatte offenbar nicht gelernt, dass ein guter Soziopath weiß, wie und wann er höflich und charmant sein muss. Anthony war mir im Pförtnerhaus ganz okay vorgekommen - ich hatte ihn sogar für ein bisschen leichtgewichtig gehalten -, aber wenn man sieht, wie mächtige Männer kleine Leute behandeln, weiß man, wie sie einen behandeln, wenn man nichts mehr hat, das sie wollen.
    Anthony sagte: »Sie hat die verfluchten Essstäbchen vergessen. Haben Sie nicht um Stäbchen gebeten?« Er hob die Hand und wollte quer durchs Lokal rufen, aber ich sagte: »Vergessen Sie es.«
    »Nein. Ich hol -«
    »Ich sagte, vergessen Sie es. «
    Ich beugte mich zu ihm, worauf er mich anschaute. »Wenn sie zurückkommt, entschuldigen Sie sich für Ihr schlechtes Benehmen«, sagte ich.
    »Was?«
    »Sie haben mich verstanden, Anthony. Und hier ist noch ein weiterer Benimm tipp für Sie: Wenn ich Essstäbchen will, bitte ich darum - nicht Sie. Und wenn ich ein Bier will, bestelle ich das Bier. Verstanden?«
    Er verstand es, war aber alles andere als begeistert über die Lektion. Interessanterweise sagte er nichts.
    Ich rutschte aus der Nische.
    »Wohin gehen Sie?«, fragte er.
    »Nach Hause.«
    Er stand auf, folgte mir und sagte: »Hey, Anwalt, laufen Sie nicht weg. Wir sind noch nicht fertig.«
    Ich drehte mich zu ihm um, sodass wir uns fast gegenüberstanden. »Wir haben nichts mehr zu bereden«, sagte ich.
    »Sie wissen, dass das nicht stimmt. Wir beide müssen ein paar Sachen abklären.« »Vielleicht. Aber nicht gemeinsam, Anthony.«
    Weil wir ein bisschen Aufsehen erregten, sagte er: »Ich begleite Sie raus.«
    »Nein. Sie gehen zu Ihrem Platz zurück, entschuldigen sich bei der Bedienung, und danach können Sie mit Ihrem Leben anfangen, was immer Sie wollen.«
    Ihm schien plötzlich ein Gedanke zu kommen, und er sagte: »Yeah, ich seh den Mumm, aber ich sehe das Köpfchen nicht, Anwalt.«
    Ich nahm aus dem Augenwinkel wahr, dass Anthonys Gorilla aufgestanden und ein paar Schritte auf uns zugekommen war. In dem Restaurant war es mit einem Mal sehr still, und ich sagte zu Frank Bellarosas Sohn: »Sie haben die Augen von Ihrem Vater, aber ansonsten nicht viel.«
    Ich drehte mich um und ging zur Tür, ohne zu wissen, was geschehen würde.
    Ich trat hinaus in die kühle Abendluft. Tony machte eine Zigarettenpause, lehnte am Cadillac SUV und rief mir zu: »Hey, seid ihr schon fertig?«
    Ich beachtete ihn nicht, stieg in mein Auto und ließ den Motor an. Der Gorilla kam aus dem Restaurant, und als ich rückwärts aus der Parklücke stieß, sah ich ihn mit Tony reden, worauf mich beide Männer beobachteten, wie ich ohne jede Eile davonfuhr.
    Ich hätte es nicht auf eine Auseinandersetzung anlegen müssen, aber allmählich hatte er mich genervt, außerdem fand ich, dass er ein bisschen herablassend wurde.
    Naja, vielleicht verstand ich ihn falsch. Vielleicht sah ich auch Frank auf der anderen Seite des Tisches, und vielleicht hatte ich einen Flashback oder sah vor meinem inneren Auge, wie Frank Bellarosa mit Susan schlief - dieser verdammte Traum - oder wie Frank mich austrickste, damit ich für ihn arbeitete, oder wie er mir mit einem Lächeln im Gesicht das Leben versaute.
    Jedenfalls tat es gut, was immer es auch gewesen war, das mich auf die Palme gebracht hatte, und ich war damit den Junior losgeworden.
    Ich warf einen Blick in den Rückspiegel, sah den Cadillac SUV aber nicht. Ich ließ Glen Cove hinter mir und fuhr auf der dunklen Landstraße zurück nach Lattingtown.
    Ich musste Anthony noch mal daran erinnern, dass er sich von Susan fernhalten sollte. Wenn ich für ihn arbeiten würde, müsste sich Susan natürlich keine Gedanken machen, vorausgesetzt, sie machte sich Gedanken, was sie meiner Überzeugung nach nicht tat. Sich Gedanken zu machen war immer meine Aufgabe, und offenbar ist sie das noch immer.
    Außerdem musste ich bedenken, dass Anthony zwar nicht das Vermögen seines Vaters geerbt hatte, höchstwahrscheinlich aber dessen Feinde; diejenigen im unmittelbaren Kreis der Freunde und Verwandten, wie zum Beispiel Onkel Sal, und diejenigen außerhalb der Familie, wie zum Beispiel die Goombahs, die ich eines Abends bei einer Zusammenkunft im Plaza Hotel kennengelernt hatte, und zu guter Letzt Leute wie Alphonse Ferragamo, deren Aufgabe es war, den jungen Anthony für lange Zeit ins

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