Nelson sucht das Glück
an der Tür. Nelson bellte, und Thatcher, der auf dem Bett des Motelzimmers lag und sich eine Tiersendung im Fernsehen anschaute, sprang auf, überprüfte ein letztes Mal seine Frisur und brachte Nelson dazu, mit dem Bellen aufzuhören. Dann machte er die Tür auf.
Die Frau, die dort stand, war hübsch und hatte braunes Haar. Nelson roch an ihr nicht die typischen Düfte, die er aus der Stadt kannte, wenn Frauen ausgingen – Parfum, Lippenstift, Haarspray. Sie roch angenehm, und der stärkste Duft, den sie abgab, war der ihrer frisch gewaschenen Jeans und des T-Shirts. Thatcher wollte sie gerade umarmen, als er einen etwa vierjährigen Jungen neben ihr stehen sah. Er hielt inne.
Als der Junge Nelson sah, war er gleich ganz aufgeregt, lief ins Zimmer und fing an, mit ihm zu spielen. Thatcher hatte für Nelson immer kleines Hundespielzeug und ein Bällchen dabei, und vom gestrigen Abendessen war auch noch ein großer Steakknochen für ihn da. Der Junge, der kaum zu bremsen war, spielte mit Nelson und seinem Spielzeugseil. Nelson liebte es, mit welcher Unermüdlichkeit kleine Kinder spielten, und bekam die Unterhaltung zwischen Thatcher und der Frau gar nicht richtig mit. Eigentlich hatte er sich auf einen einsamen Abend im Motelzimmer eingestellt, doch jetzt gab es sogar noch eine extra Spielstunde mit einem kleinen Jungen. Und tatsächlich war der Junge Thatcher Stevens’ Sohn.
Thatcher bestellte Pizza, und schon bald wurden zwei große Pizzen geliefert. Alle aßen mit, und Thatcher erlaubte seinem kleinen Sohn, auch Nelson mit ein paar Stückchen zu versorgen. Er redete mit dem Jungen, und nach einer Weile winkte Thatcher ihn zu sich, und sie umarmten sich kurz. Nelson roch die Aufregung auf Thatchers Haut, doch der Junge war darauf bedacht, möglichst bald wieder mit Nelson spielen zu können, und so blieb es bei der kurzen Umarmung.
Ein paar Stunden später merkte Nelson, dass der Junge langsam müde wurde, und kurz danach verließen die Frau und der Junge das Zimmer. Alle umarmten sich. In dieser Nacht konnte Nelson nicht besonders viel schlafen, denn Thatcher tat kein Auge zu, sondern wälzte sich unruhig im Bett hin und her. Nelson war so an sein regelmäßiges Schnarchen gewöhnt, dass ihm unbehaglich zumute war, wenn es fehlte.
Am Morgen danach folgten ein paar eilige Telefonate. Nelson war es nicht gewöhnt, sich tagsüber in einem Motelzimmer aufzuhalten. Normalerweise checkten sie abends ein, wenn sie nicht im LKW schliefen, und reisten früh am nächsten Morgen wieder ab, oft sogar vor Sonnenaufgang. Nach dem Abend, an dem Thatcher zum ersten Mal seinen Sohn gesehen hatte, verbrachten sie den größten Teil in dem Zimmer, sahen fern und aßen Pizzareste. Nelson spürte Thatchers Anspannung. Etwa um vier Uhr nachmittags kamen die Frau und der Junge zurück, und fast alles war genauso wie am Abend zuvor. Nelson mochte seinen neuen Spielkameraden, doch nachdem sie geliefertes Essen vom Chinesen zu sich genommen hatten, eskalierte das Gespräch zwischen Thatcher und der Frau rasch, und sie schrien sich an. Nelson fühlte sich sofort wieder an die Streitereien zwischen Katey und Don erinnert. Wut hatte er an Thatcher noch nicht oft wahrgenommen, und es war ein Geruch, von dem dem Hund ganz flau wurde. Als das Geschrei nicht mehr aufhörte, zog sich der Junge in eine Ecke des Zimmers zurück und begann zu weinen. Nelson ging zu ihm und leckte ihn ab, um ihn zu trösten. Der Junge hob ihn hoch, weinte jedoch weiter. Ein paar Momente später hörten Thatcher und die Frau zu streiten auf. Die Frau ging zu dem Jungen und tröstete ihn, doch er schluchzte weiter. Auch Thatcher versuchte es, aber sowohl die Frau als auch der Junge schubsten ihn weg. Kurz darauf gingen die Frau und der Junge.
In dieser Nacht weinte Thatcher. Nelson lag ganz still neben ihm und wusste nicht, was er von diesem unerwarteten Gefühlsausbruch halten sollte. Schließlich schlief Thatcher ein, doch Nelson lag noch lange wach, weil er spürte, dass sich eine Veränderung anbahnte. Er kuschelte sich an Thatchers Brust, und Thatcher, den böse Träume quälten, streichelte den Hund.
In den folgenden Wochen war Thatchers Stimmung gedämpft, während er und Nelson weiter in seinem großen Lastwagen durch Amerika tuckerten. Oft ertappte ihn Nelson dabei, wie er heimlich weinte. Er sang auch nicht mehr zu der Musik aus dem Radio mit, und während früher jede Woche ein oder zwei Mal eine Frau Thatchers Bett geteilt hatte, waren es jetzt nur
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