Nelson sucht das Glück
Grinsen auf dem Gesicht wieder ein.
So wie Thatcher Nelson manchmal für ein paar Stunden allein in einem Motelzimmer gelassen hatte, ließ er ihn auch gelegentlich nachts eine Weile im LKW zurück. Dann machte er die Fenster einen Spaltbreit auf, und die Gerüche von draußen leisteten dem Hund bis zu seiner Rückkehr Gesellschaft. Schon bald hatte sich Nelson an die Frauen gewöhnt, die dann mit Thatcher zurückkehrten und mit denen er wegen der Beengtheit im Führerhaus etwas unbeholfen Sex hatte. Manchmal wackelte das Führerhaus hin und her, denn Thatcher war ein ziemlich leidenschaftlicher Liebhaber. Jedes Mal, wenn Nelson endlich ein Plätzchen gefunden hatte, um sich zu entspannen und einzuschlafen, wurde er irgendwann wieder durch zwei erhitzte menschliche Leiber geweckt, die auf ihm landeten. Wenn er dann bellte, um Thatcher und seiner Gespielin zu zeigen, dass sie ihn störten, kicherten die beiden meistens nur und setzten ihr Liebesspiel munter fort. Oft machte die Frau die Störung damit wett, dass sie hinterher mit Nelson spielte. Er genoss diese Aufmerksamkeit ebenso wie die Erdnüsse oder Snacks aus getrocknetem Fleisch, die Thatchers Besucherinnen manchmal aus ihrer Handtasche zogen.
In der Zeit, die Nelson bei Thatcher verbrachte, durchquerten sie die Vereinigten Staaten mindestens zehn Mal. Zum Beispiel folgten sie dem Highway 20, an Chicago vorbei, durch das flache, weite Land von Iowa, das gebirgige Montana und lieferten schließlich in Oregon ihre Ware ab. Auf dem Rückweg fuhren sie dann auf dem Highway 2 von Seattle los, durchquerten den Norden der Staaten bis an die kanadische Grenze, dann wieder nach Montana, durch die Great Plains, die Kornkammer der USA, wo Nelson den unverwechselbaren Duft von Büffel kennenlernte, bis in die Wälder Minnesotas mit ihren mannigfaltigen Gerüchen nach Pflanzen und Tieren. Auf dem Highway 50 überquerten sie den Mississippi, fuhren irgendwann die steilen Hänge der Rockies hoch, wo Nelson Adler, Falken und die Siedlungen der Ureinwohner erschnupperte. Sie rumpelten durch die Sierra Nevada, wo die klaren, intensiven Düfte der Wüste eine reine Wonne für die Nase des jungen Hundes waren. Oder sie zockelten tief im Süden durch das Land nahe der mexikanischen Grenze, wo Nelson in Texas Öl und Vieh roch, was irgendwann durch die Cajun-Düfte der Deltas des Mississippi ersetzt wurde. Sie fuhren das Rückgrat der Appalachians entlang, und Nelson verbrachte mit Thatcher ein Wochenende im Haus seiner Eltern in Sullivan County.
In Sullivan County sehnte sich Nelson danach, die Wälder und Flüsse zu erkunden, deren Duftspuren ihm aus der Ferne entgegenwehten, doch Thatcher wollte zu Hause bleiben. Allein durch seine endlosen Geruchsentdeckungen draußen auf der Landstraße wurde die Neugier des kleinen Hundes nicht befriedigt, denn er konnte von all den Geschichten, die ihm die verschiedenen Bundesstaaten zu erzählen wussten, nicht genug kriegen. Zuhause in Albany hatte er sich nur vorstellen können, dass die Welt ein faszinierender Ort war. Jetzt jedoch wusste er, dass sie es wirklich war, und sein Verlangen nach mehr wurde nur in den Momenten gemindert, wenn er an seine große Liebe zurückdachte und wusste, dass nichts sie ersetzen konnte. Oft träumte er vom betörenden Duft der weißen Tuberosen, die nachts Kateys Duft verströmten.
Eines Nachts in North Carolina, einem Bundesstaat, den Thatcher wegen seiner herrlichen Küste und den angenehmen Gebirgszügen besonders gerne mochte, kam eine Frau zu ihm zu Besuch. Er hatte sie seit mehr als einem Jahr nicht mehr gesehen und freute sich darauf, sie zu treffen. Sex war zwischen ihnen immer besonders aufregend gewesen und auch etwas, das ihn glücklich machte. Doch sie hatte letztes Mal angedeutet, es gebe da eine Sache, über die sie mit ihm sprechen müsste. Und plötzlich war sie verschlossen wie eine Auster, als er sie bedrängte, es ihm doch zu sagen, und hatte gemurmelt, das nächste Mal würde sie es ihm verraten. Thatcher war verwirrt, und ein kleiner Teil von ihm hoffte insgeheim, sie wolle mehr von ihm, obwohl ihm nicht ganz klar war, was das für sein Leben bedeuten könnte. An diesem Tag rasierte er sich besonders gründlich und sprühte sich mit dem teuren Eau de Toilette ein, das er nur zu besonderen Gelegenheiten verwendete. Nelson sah ihm dabei zu, wie er sich die Fingernägel schnitt, und wusste, dass mit einem interessanten Abend zu rechnen war.
Etwa um sechs Uhr abends klopfte die Frau
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