Nelson sucht das Glück
Gedanken an den Tierarzt, der ihm vor vielen Jahren, als Nelson noch in Emils Tierladen auf ein Herrchen oder Frauchen wartete, die Rute gerettet hatte, ohne die es wesentlich schwerer gewesen wäre, wieder gehen zu lernen.
Nelsons Wunsch, wieder normal gehen zu können, wurde sogar noch größer. Jeden Morgen, wenn er aufwachte, stellte er sich sofort hin und verbrachte die Zeit damit, in seiner Box zu stehen und darauf zu warten, dass der Pfleger ihn herausließ und er seine neue Gehtechnik üben konnte. Juan und Suzi versuchten, den Hund mehrmals am Tag zu einem kleinen Spaziergang mitzunehmen. Mit seinen drei Beinen, der hoch aufgerichteten, leicht zur Seite geneigten Rute und den schönen Augen war er ein beeindruckender Anblick. Sein charakteristischer Gang war zwar etwas schwerfällig, besaß aber dennoch eine einzigartige Würde und Anmut. Manchmal fiel er noch um, und oft fühlte er sich nicht wohl, da er alle Blicke auf sich zog, die manchmal erstaunt, manchmal aber auch belustigt waren. Doch es tat gut, wieder das Gras auf den Gehsteigen zu riechen und aus der Ferne den Duft der Kiefern und der Berge zu erschnuppern. Und immer suchte er in den Brisen, die ihm in die Nase stiegen, nach Lucys Fährte.
Juan und Suzi waren Cousin und Cousine. Oft redeten sie darüber, wie sie wohl unter den Familienmitgliedern, die in der Gegend wohnten, ein Zuhause für den dreibeinigen Hund finden könnten. Beide dachten auch darüber nach, den Hund selbst mit nach Hause zu nehmen, wussten jedoch, dass das nicht möglich war. Juan lebte in einem winzigen Apartment mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern, und Suzi wohnte zusammen mit ihrer Großmutter in ähnlich beengten Verhältnissen. Für beide wäre es schwierig gewesen, sich auch noch um einen Hund zu kümmern.
Sie fragten im Familienkreis herum, ob jemand den Hund nehmen könne, doch alle lachten, als sie hörten, dass er nur drei Beine hatte. Warum sollte jemand einen dreibeinigen Hund haben wollen? Wie sollte der denn Einbrecher verjagen? Juan wurde wütend auf einen seiner Onkel, der immer gerne schauspielerte und sogleich zur großen Belustigung seiner Familie einen dreibeinigen Hund mimte. Offenbar erkannten nur Dougal, Juan und Suzi die Schönheit in Nelson. Sie wussten, dass ihre Gefühle nicht nur damit zusammenhingen, dass sie es gewesen waren, die den Hund so weit aufgepäppelt hatten, dass er wieder laufen konnte. Da war auch etwas am Charakter dieses kleinen Hundes, das sie froh machte.
Auch Nelsons körperliche Funktionen änderten sich. Er würde lernen müssen, wie eine Hundedame zu pinkeln, indem er sich hinhockte, statt das Bein zu heben, und er vermisste es auch, sein Revier zu markieren, so wie er es immer getan hatte. Zuerst war das Pinkeln unbequem, und ab und zu tropfte ihm immer noch etwas von der warmen Flüssigkeit auf die Pfoten. Doch es dauerte nicht lange, und Nelson dachte nicht mehr weiter darüber nach.
Nachts träumte er immer noch sehr viel. Lucy und Katey kamen oft in seinen Träumen vor, und meist erlebte er sie sich in gefährlichen Situationen. Er musste sie retten, vor dem Kojoten, vor Don, vor den Männern mit den Gewehren an der Müllhalde. Manchmal gelang ihm das, und manchmal nicht. In seinen Träumen hatte er immer noch vier Beine, er war schnell und voller Kraft, selbst gegenüber Feinden, denen er gar nicht gewachsen war. Doch die Sorge um Lucy und Katey, die ständig in Gefahr waren, begleitete ihn sogar bei Tage, und das gab ihm manchmal das Gefühl, hilflos und ausgeliefert zu sein. Dougal beobachtete bei dem schlafenden Hund des Öfteren, wie er plötzlich hektisch zu schnüffeln begann, und fragte sich, was er wohl durchgemacht hatte. Es war zu spüren, dass er eine verschlungene und lange Odyssee hinter sich hatte.
Nach etwa drei Monaten wurde deutlich, dass der junge Hund so weit genesen war wie möglich. Er konnte sich frei bewegen, vielleicht nicht so schnell wie früher, doch der Verlust des einen Beines machte ihn noch nicht zum Krüppel. Nelson hatte sich an seinen Tagesablauf in der Tierklinik gewöhnt – an das tägliche Futter und die Spaziergänge. Obwohl er Dougal, Juan und Suzi noch nicht als seine Familie betrachtete, weil er immer noch so viel an Katey und Lucy und Thatcher denken musste, hatte er sie gern, und ganz gewiss gehörten auch sie zu der Routine, die er mochte.
Dougal sprach mit Juan und Suzi nicht oft über die drohende Entscheidung, die ihm bevorstand. Er wusste, dass er es war, der
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