Nelson sucht das Glück
hatte, doch heute brach Angie die Regeln des Heims und fütterte Nelson die Hälfte ihres eigenen Mittagessens, das sie in der Mikrowelle aufgewärmt hatte, aus der Hand. Für Nelson waren das Huhn und die Nudeln mit Käse eine herrliche Mahlzeit.
In den zweieinhalb Wochen, die er im Tierheim verbrachte, bekam Nelson gut zu fressen und nahm stetig zu. Wie alle anderen Hunde hier bekam er Hundefutter, doch Angie und einige der anderen Angestellten des Heims brachten ihm regelmäßig kleine Leckereien von ihrem eigenen Tisch. Nach nur wenigen Tagen bemerkte Angie voller Erleichterung, dass Nelson nicht mehr die Rippen durch die Haut stachen.
Als er gebadet hatte, wurde Nelson in den Hauptaufenthaltsraum gebracht, wo die Hunde von Besuchern besichtigt und gegebenenfalls mitgenommen werden konnten. Es war ein viel größerer Raum als der in dem Heim in Montana, und es waren jederzeit etwa dreißig Hunde zur Vermittlung bereit. Nelson kam in eine Box für kleinere Hunde, zusammen mit drei anderen, die etwa seine Größe hatten. Zum Spielen war Nelson nicht aufgelegt, und so lag er die meiste Zeit ruhig da und knurrte gelegentlich einen der anderen Hunde an, wenn dieser allzu aufdringlich den Kontakt zu ihm suchte. Er schlief viel. Die Geräusche der anderen Hunde in dem großen Raum und die Schritte und das Murmeln der Menschen, die fast ständig an dem Käfig vorüberzogen, störten ihn nicht. Weil er so lange in der Wildnis unterwegs gewesen war, hatte er gelernt, immer wachsam zu sein, und er war stets auf der Suche nach Nahrung gewesen. Nun jedoch, wo er zwei Mal am Tag eine Mahlzeit bekam, konnte er sich ein wenig entspannen. Die vergangenen Jahre hatten ihm körperlich schwer zugesetzt, und so schlief er immer wieder ein.
Die Träume, die er in dieser Zeit hatte, waren die intensivsten seines Lebens. Seit er aus dem Heim in Montana entkommen war, hatte seine Nase ständig neue Gerüche in sich aufgenommen, doch in seinem Wunsch, zu überleben, hatte Nelson sie im Grunde noch gar nicht richtig verarbeitet. Als sein Gehirn nun spürte, dass sich ihm die Möglichkeit bot, sich auszuruhen und zu erholen, begann es endlich damit, all die Gerüche und Witterungen, die es in seinem Unterbewusstsein gespeichert hatte, zu ordnen und Verbindungen zu knüpfen. Und so waren Nelsons Träume wie eine Melange aus Gerüchen in einzigartiger Gestalt.
Nelsons Gehirn war das Ergebnis einer Entwicklung von Millionen von Jahren, die der Hund durchlaufen hatte, und in den Träumen, die es hervorbrachte und in Nelsons Denken vordringen ließ, während er schlief, lag eine einzigartige Logik. Sie alle waren auf sein Überleben und auf die Perfektionierung seines Geruchssinnes ausgerichtet.
Über diesem angenehmen Tierheim in Kalifornien hing kein Todesgestank. Manchmal war Nelson trotzdem wachsam, weil die anderen Merkmale des Heimes in Montana durchaus vorhanden waren – viele Hunde in Einzelboxen, die in einem großen Raum zusammengepfercht waren, und die Menschen, die Tag für Tag hindurchgeschleust wurden, auf der Suche nach einem Tier, das sie mit nach Hause nehmen konnten. Das alles war Nelson vertraut, und manchmal fuhr ihm eine eisige Angst durch die Knochen. Doch er musste sich ausruhen und war einfach zu müde, um sich vor dem zu fürchten, was kommen würde.
Einige der Menschen, die im Tierheim von Chico nach einem geeigneten Hund Ausschau hielten, bemerkten Nelson. Einige sahen die wunderschöne Färbung seines Fells und die beeindruckende Neugier, mit der er sie ansah. Manche hielten ihn sogar für einen schönen kleinen Hund. Doch sobald sie feststellten, dass er nur drei Beine hatte, kamen sie von dem Gedanken wieder ab, ihn mit nach Hause zu nehmen. Niemand wollte einen dreibeinigen Hund als Haustier.
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In dem Tierheim in Montana durfte jeder Hund eine Woche bleiben, bevor die Entscheidung getroffen wurde, ihn einzuschläfern. In Chico gab es eine Gnadenfrist von einer weiteren Woche, bevor die übrig gebliebenen Tiere in die Tötungsstation geschickt wurden. Vor einigen Jahren hatte ein Hollywood-Schauspieler, der aus Chico stammte, dem Heim eine großzügige Spende zukommen lassen. Man hatte das Geld gut verwaltet, und so standen diesem Heim mehr Mittel zur Verfügung als anderen. Zwei Wochen waren eine gute Zeit für viele der Hunde, die im Tierheim landeten, um einen passenden neuen Besitzer zu finden. Die Vorgehensweise war Nelson vertraut. Ein Mensch oder eine Gruppe von Menschen gingen im Präsentationsraum
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