Nelson sucht das Glück
etwas verwandelte, was einem Haustier wesentlich mehr ähnelte. Oft besserte sich das Verhalten der Tiere allein dadurch spürbar, dass sie es wieder mit Menschen zu tun hatten. Sie spielten mit ihrem Wassernapf und schlangen ihre erste Mahlzeit im Tierheim hinunter. Wenn Rick dann wieder ging, war er glücklich, und es war ihm leicht ums Herz. Dann arbeitete er abends noch drei oder vier Stunden an seinem Geschichtsbuch. Er roch die Hunde an seiner Kleidung, und oft merkte er, dass die Frauen, die er manchmal mit nach Hause brachte, etwas angewidert reagierten, weil es überall in seiner Wohnung nach Hund roch. Ihn selbst störte der Geruch nicht.
Rick wusste, dass ein kleiner Prozentsatz der Tiere, die er ins Tierheim brachte, nie ein neues Zuhause fand. Die Tötungsstation, in der unerwünschte Hunde ins Jenseits befördert wurden, hatte er nie besucht. In Chico handelte es sich dabei um eine gesonderte Einrichtung, die nicht direkt mit dem Tierheim zu tun hatte. Angie hatte ihm erzählt, dass es dort sehr deprimierend zugehe, und er konnte den Gedanken, sich dort einmal umzuschauen, nicht ertragen. Manchmal, spät in der Nacht, fragte er sich, ob er vielleicht ein Mörder war, weil er streunende Tiere ins Tierheim brachte, denn einige der Tiere endeten schließlich tatsächlich in der Tötungsstation und wurden eingeschläfert. Eigentlich wusste er, dass seine Schuldgefühle nicht angebracht waren, denn viel mehr Tiere, die er im Heim ablieferte, fanden ein schönes Zuhause bei Menschen. Doch was war mit denjenigen, die nicht vermittelt werden konnten? War es für sie besser, wenn sie durch die Straßen menschlicher Städte streifen durften und wenigstens am Leben waren, auch wenn es nicht bei einer menschlichen Familie war?
Manchmal, wenn er einen besonders traurig aussehenden Hund sah, einen, der alt, krank oder verletzt war oder ein sehr aggressives oder unterwürfiges Verhalten an den Tag legte, überlegte er sich wirklich, ob er ihn nicht einfach dort lassen sollte, wo er war. Er wusste, dass die Chancen für ein solches Tier, vermittelt zu werden, sehr gering waren. Ein paar Mal hatte er einen Hund auch wirklich laufen lassen, weil er wusste, dass das Tier nur eine geringe Chance auf Vermittlung hatte. Wenn er es tat, quälte ihn der Gedanke jedoch, und irgendwann hatte er Angie gestanden, was er getan hatte, und sie war wütend auf ihn gewesen. Sie arbeite nun schon seit zwanzig Jahren in dem Tierheim, sagte sie, und sei manchmal selbst überrascht davon, welche Tiere doch noch ein Zuhause fanden. Oft würden gerade Hunde, bei denen sie es für sehr unwahrscheinlich hielt, von mitleidigen Menschen nach Hause mitgenommen, und sie warf Rick vor, er spiele sich als Allmächtiger auf, der entschied, welche Tiere er ins Tierheim brachte und welche nicht. Dieses Argument traf ihn tief, doch in der Woche danach waren sie gemeinsam zum Abendessen gegangen und hatten noch einmal ruhig und sachlich über das Thema geredet. Danach hatte Rick beschlossen, nie mehr einen Streuner absichtlich draußen auf den Straßen zu lassen.
Als Rick eines kalten Wintertages einen kleinen dreibeinigen Hund sah, der durch die Straßen marschierte, dachte er dennoch einen Moment lang darüber nach, ob es sinnvoll war, den Hund ins Tierheim zu bringen. Er war überzeugt davon, dass niemand diesen Hund zu sich nach Hause nehmen würde. Er hatte drei magere Beine, auf denen er nur langsam vorwärtskam. Rick war sich nicht sicher, um welche Rasse es sich handelte. Das Fell war lang und zottelig, und das ganze Tier war über und über mit Schlamm, Gras und Ungeziefer bedeckt. Man konnte buchstäblich die Flöhe über sein Fell hüpfen sehen, denn der Hund blieb immer wieder stehen und kratzte sich.
Rick hatte keine Ahnung, wie er wohl überlebt hatte. Am Ende war es reine Sympathie, die Rick zu dem Entschluss veranlasste, den Hund doch ins Tierheim zu bringen. Er war zwar davon überzeugt, dass der Hund nicht zu vermitteln war, aber wenigstens würde man ihn im Heim waschen, ihm ein paar gute Mahlzeiten geben und ihn warmhalten, bis zu dem Tag, an dem man ihn dann in die Tötungsstation schicken musste. Das wäre jedoch immer noch besser, als ihn draußen auf der Straße in der bitteren Kälte verenden zu lassen.
Als Rick aus seinem Lastwagen stieg und auf den kleinen Hund zuging, schaute der ihn unter seinem zotteligen Haarschopf hervor mit fragenden, traurigen Augen an, doch er lief nicht weg. Die beiden sahen sich einfach nur einen
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