Nelson sucht das Glück
umsah. Rick und Angie versuchten, ihn ruhig zu halten.
Dann sagte der Mann, er sei mit allem fertig und wolle fahren. Rick übergab ihm Nelson, und Rick und Angie küssten den Hund noch einmal zum Abschied. Nelson war immer noch schläfrig, als man ihn in den Lastwagen setzte. Der Mann aus dem Zwinger war nicht böse, doch er zeigte auch keinerlei Zuneigung zu dem Hund. Er hatte schon vor langer Zeit gelernt, keine emotionale Bindung zu den Hunden einzugehen, die er regelmäßig in den Tierheimen der Stadt abholte.
Auf der Ladefläche des LKW standen sechs Transportboxen, und sie waren alle belegt. Nelson wurde zusammen mit einem anderen kleinen gesprenkelten Mischling in eine Box gesteckt, der leise vor sich hinwinselte. Langsam fuhren sie in Richtung Tötungsstation, die nur zehn Minuten entfernt war.
Schon bei der Ankunft roch Nelson den Gestank des Todes und geriet in Panik. Er begann mit all seiner Kraft heftig in der Box hin und her zu springen und heulte laut. Der Mann aus der Station hatte dergleichen schon oft erlebt, doch er tröstete die Hunde nicht, indem er sie streichelte. Er hatte Beruhigungsmittel in seinem Handschuhfach und gab Nelson eine Injektion. Kurz darauf sank der kleine Hund zu einem schlaffen Bündel zusammen, dessen Augen nur einen Spaltbreit offen standen. Alles um ihn herum verschwamm.
Es war ein starkes Beruhigungsmittel, und obwohl Nelson den Todesgeruch immer noch wahrnahm, hatte er kaum eine Wirkung auf ihn. Nelson und die anderen Hunde wurden in das kleine Wartezimmer im vorderen Bereich der Station gebracht. Ruhig wartete Nelson in der Nähe des Krematoriums, während die anderen Hunde einer nach dem anderen abgeholt wurden. Er hörte das letzte Bellen des traurigen Pitbulls und den lebhaften Labrador-Mischling, während sie ihren letzten Gang antraten.
Nelson merkte nicht, wie Rick Doyle das kleine Wartezimmer betrat, zusammen mit einem anderen Mann und einem kleinen Jungen. Zwischen Rick und einem der Angestellten des Zwingers wurden ein paar Worte gewechselt, Formulare wurden ausgefüllt. Nelson wusste kaum, wie ihm geschah, als Rick, der Mann und der Junge auf ihn zukamen und ihm über den Kopf strichen.
Der kleine Junge hob Nelson etwas unbeholfen hoch und trug ihn hinaus in die Freiheit. Nelson fiel in einen tiefen Schlaf.
Vierter Teil
Daheim
35
Es war Oliver, der Nelson das Leben rettete, denn sein Vater war dagegen gewesen, das Tier zu ihnen nach Hause zu holen. Doch als der Junge um zwei Uhr nachts zu seinem Vater ins Schlafzimmer kam, weil er nicht schlafen konnte, und ihm unter Tränen sagte, er müsse ständig an den dreibeinigen Hund denken, gab sein Vater schließlich nach und versprach ihm, am nächsten Tag ins Tierheim zu gehen und den Hund zu holen.
Olivers Vater Jake war von seinen Eltern, Immigranten aus Mexiko, die ihrem in den USA geborenen Sohn unbedingt einen biblischen Namen geben wollten, auf den Namen Jacob getauft worden. » Jacob« war damals eine eher ungewöhnliche Wahl, doch seine Mutter wollte einen besonderen Namen für ihn, mit dem er sich von anderen abheben würde, und seit er zehn Jahre alt war, hatte man ihn dann » Jake« genannt. Die große Liebe seines Lebens war eine Amerikanerin halb irischer und halb deutscher Abstammung namens Laurie gewesen, mit der er schon auf der Highschool zusammen war. Nach der Schule war sie woanders aufs College gegangen, jedoch vier Jahre später, schöner denn je, zurückgekehrt. Nur wenige Wochen nach ihrer Heimkehr hatte Jake ihr einen Heiratsantrag gemacht, den sie ohne Zögern angenommen hatte. Innerhalb eines Jahres war Laurie schwanger geworden und hatte bald darauf einem gesunden kleinen Jungen das Leben geschenkt. Er wurde Oliver getauft, nach Lauries Großvater, der in der Normandie gefallen war. Laurie hörte zu arbeiten auf, um sich um das Kind zu kümmern, und Jake trug fortan die ganze Last, seine Familie durchzubringen. Bald hatte seine Autowerkstatt einen festen Kundenstamm, weil er für seine schnellen Reparaturen zu vernünftigen Preisen bekannt war. Seine männlichen Kunden fühlten sich aufgrund seiner ruhigen Art immer gut aufgehoben bei ihm, und die Frauen schätzten sein jungenhaft gutes Aussehen.
Jake war ein praktisch veranlagter Mensch, konnte jedoch zunächst nicht begreifen, dass seine Frau mit achtundzwanzig Jahren gestorben war. Das war in Jakes Lebensplan nicht vorgesehen. Er liebte Regeln und Routine und hatte sich darauf eingestellt, ein langes glückliches Leben mit
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