Nelson sucht das Glück
die Angst. In Momenten wie diesen war sich Nelson sicher, dass er eines Tages seine große Liebe wiederfinden würde. Und deshalb geriet Nelsons Lebenswille niemals ins Wanken.
An dem Tag, bevor Nelson an der Reihe war, zum Einschläfern geschickt zu werden, schaute Angie in ihrem Computer nach, um sich zu vergewissern, dass der Termin stimmte. Sie hatte sich mit dem Gedanken abgefunden, dass der Hund sterben würde. Sie wusste, dass sie ihn nicht unbegrenzt im Tierheim behalten konnten, weil auch andere Hunde die Chance auf ein besseres Leben erhalten sollten. Doch sie wollte dafür sorgen, dass er einen würdigen Abschied bekam. Mit Rick hatte sie bereits darüber gesprochen, und sie hatten beschlossen, dass sie Nelson noch einmal in warmem Wasser baden würden, bevor er in die Tötungsstation kam, weil sie wussten, dass er das gerne hatte. Angie wollte ihm ein Festmahl aus Steak und Eiern zubereiten, das er am letzten Morgen im Heim bekommen sollte. Rick kam der makabre Gedanke, dass es fast so etwas war wie eine Henkersmahlzeit.
Als Angie Nelson an diesem Morgen aus seiner Box holte, spürte er auf der Stelle, dass etwas nicht stimmte. Er wusste, dass sie eine sanfte Frau war, doch heute war sie besonders behutsam und liebevoll zu ihm und strich ihm immer wieder über den kleinen Kopf. Im Hundesalon des Heimes beobachtete Rick Angie dabei, wie sie Nelson sanft wusch und ihn trocken föhnte. Nelson liebte die Wärme; nach Hunderten von kalten Nächten war sie immer noch ein neues Gefühl für ihn. Doch er spürte auch die Traurigkeit in Rick und Angie, und kannte nicht den Grund dafür.
Nachdem sie ihn gebadet hatten, hielt Rick den kleinen Hund in den Armen, und Angie fütterte ihn mit dem Steak und den Eiern, die sie ihm in kleine Häppchen geschnitten hatte. Das Essen war köstlich, und Nelson genoss es sehr. Rick strich ihm über den Kopf. Als Nelson seine Mahlzeit beendet hatte, spielten Rick und Angie noch eine Weile ruhig mit ihm. Er leckte ihnen das Gesicht und wedelte mit dem Schwanz, und sie balgten sich spielerisch um ein kleines Plüschtier. Nelson wusste nicht, warum Ricks und Angies Augen so glitzerten.
Angie brauchte den Hundesalon für ein paar andere Hunde, die getrimmt werden mussten. Rick hatte sich den Morgen freigenommen und spielte eine Weile mit Nelson. Schon bald war der kleine Hund in seinen Armen eingeschlafen. Warum er so viel Aufmerksamkeit erhielt, war ihm zwar ein Rätsel, doch er freute sich darüber. Während er langsam in den Schlaf hinüberglitt und Ricks charakteristisch menschlichen Geruch einatmete, empfand Nelson ein tiefes Gefühl des Trostes. Er war vor den Menschen davongelaufen, und dann hatte er bei Wölfen gelebt, seinen eigenen Vorfahren aus alter Zeit. Doch in diesem Moment, nur wenige Stunden, bevor er getötet werden sollte, verspürte er in seinem Herzen ein tiefes Glücksgefühl und begriff, wo als Hund sein Platz auf der Welt war. Seine Verbindung zu den Menschen war unwiderruflich. Ein Hund zu sein bedeutete, dass er auf immer und ewig mit den Menschen verbunden war. In diesem Moment gab es in seinem kleinen Hundeherz nur den einen Wunsch: für immer in Ricks Armen zu liegen.
Noch zwei weitere Hunde sollten an diesem Tag eingeschläfert werden. Da war ein alter Pitbull, der bereits mit dem Leben abgeschlossen hatte, dann ein kräftiger Mischling, halb Labrador, halb Schäferhund, der einfach nur ein wenig zu lebhaft für die Menschen war, die in dem Heim nach einem Haustier suchten. Und Nelson. Um halb zwölf kam der Mann aus der Tötungsstation, um die Hunde abzuholen. Zuerst lud er die größeren Hunde in seinen Lastwagen. Als Nelson an der Reihe war, gab es einige Verwirrung, weil er nicht in seiner Box war und niemand wusste, wo er sich befand. Erst einer der Tierheimmitarbeiter erinnerte sich daran, dass Rick und Angie ihn bei sich im Hundesalon des Heims hatten.
Der Mann aus der Tötungsstation ging zum Hundesalon und klopfte an die Tür. Nelson war auf Ricks Schoß fest eingeschlafen. Rick sagte leise zu dem Mann, er würde Nelson zum Lastwagen tragen. Der kleine Hund war immer noch nicht wach, als Rick ihn langsam den Flur entlang zu dem Büro am Eingang brachte, um sich um die Formalitäten zu kümmern. Der Mann aus der Tötungsstation füllte die Papiere aus, die nötig waren, um die drei Hunde mitnehmen zu dürfen. Während er das tat, streichelten Rick und Angie Nelson, der wieder aufgewacht war und sich mit einem bangen Schnüffeln im Raum
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