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Nemesis 05 - Die Stunde des Wolfs

Nemesis 05 - Die Stunde des Wolfs

Titel: Nemesis 05 - Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
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auf den ersten Blick unendlich erscheinende Tiefe unter der eigenartigen Brücke hinab, und auch Judith drängte sich neugierig zwischen Ellen und mich und folgte dem Lichtschein mit konzentrierten Blicken und in nachdenkliche Falten gelegter Stirn.
    Etwa acht Meter unter uns erstreckte sich der Boden der Turmkammer, der mit etwas Dunklem, leicht Glänzendem ausgefüllt war, das ich im ersten Augenblick für eine zähe Flüssigkeit hielt (Menschen fressendes, hochgradig ätzendes Monstersekret, wenn es nach dem Irrwitz meiner Fantasie ging, die die Angst in mir bis heute Nacht unbekannte Dimensionen trieb), sich tatsächlich aber als gummierter schwarzer Stoff erwies, der sich seltsam zur Mitte hin wölbte und mit dem noch tiefdunkleren, etwa einen Meter durchmessenden Kreis in seinem Mittelpunkt an ein riesiges, finsteres Auge erinnerte.
    »Was ist das?«, flüsterte ich in unsicherem, aber auch ein wenig beeindrucktem Tonfall. Ellen hob hilflos die Schultern.
    »Das ... das ist der größte Basslautsprecher, den ich je gesehen habe«, stammelte Carl, dessen Goldfieber für einen kurzen Augenblick von Ehrfurcht verdrängt wurde.
    Langsam ließ er den Strahler über den glänzenden Stoff und schließlich an der Innenwand des unheimlichen Turmes nach oben wandern, bis er ihn schließlich auf einem kleinen, kugelförmigen Gegenstand verharren ließ, der etwas mehr als drei Meter über dem ersten Plateau mit seinem seltsamen Stuhlkreis angebracht war. Der Wirt drehte sich langsam im Kreis, und der schwache Lichtkegel schälte in gleichmäßigen Abständen immer mehr der kleinen Lautsprecher aus der Finsternis, die schräg über unseren Köpfen, dicht unter der Decke, rund um die gesamte Plattform angebracht worden waren. Sie alle waren auf das Zentrum des Plateaus ausgerichtet wie ihre wuchtigen, gut und gerne zwei Meter hohen großen Brüder.
    »Hochtonlautsprecher mit Kalottenmembranen«, murmelte Carl halblaut, was mein große Konzerte und viel zu laute Musik gewöhntes Hirn längst erkannt und nur noch nicht in sinnvolle Silben verpackt hatte. »Seht euch das nur an. Die Lautsprecher sind alle unterschiedlich groß.
    Das sind Tief-, Mittel- und Hochtöner. Irgendein Freak hat sich hier die absolut abgefahrenste Anlage aufgebaut, von der ich jemals gehört habe.« Er schüttelte beeindruckt den Kopf und drehte sich ein weiteres Mal auf der Stelle im Kreis, um die Lautsprecher zu bestaunen. »Hier sitzen, einen Joint rauchen und Pink Floyd ›The Wall‹ hören – das muss das Elysium sein. Das ist...«
    Der Wirt stutzte. Dann stürzte er plötzlich auf die nächstgelegene der kleinen Kisten neben den Stühlen zu, ließ sich daneben auf die Knie fallen und bedeutete Ellen mit einem energischen Wink, ihm zu folgen. Als sie ihn erreicht hatte, drückte er ihr mit einer hektischen Bewegung den Strahler in die Hand.
    »Leuchte gefälligst hinein, du Medizinerschlampe!«, fauchte er und öffnete die kleine Kiste neben dem bedrohlich wirkenden Holzstuhl.
    »Hast du deinen Schatz endlich gefunden?«, fragte Judith spitz und trat auf die beiden zu. Ich folgte ihr.
    Der Wirt fuhr mit einem Ruck auf und richtete Marias Pistole drohend auf ihre Stirn. »Noch ein Wort und ich blase dir dein verficktes Gehirn aus dem Schädel, du Flittchen.« Er deutete mit der freien Hand auf die Kiste zu seinen Füßen. »Weiß einer von euch, was das ist?«, fragte er. »Zu der Megastereoanlage hier gehört das jedenfalls nicht!«
    Zumindest ich wusste es nicht, konnte mir aber durchaus vorstellen, dass der kleine Kasten, in dem verschiedene Zeiger hinter einer Glasscheibe wohl dazu dienten, irgendetwas zu messen, durchaus Teil des Mischpultes einer Stereoanlage darstellten.
    »Das ist die Headbox eines EEG«, antwortete Ellen sachkundig.
    »Wie bitte?« Carl schüttelte verwirrt den Kopf.
    »EEG oder auch Elektroenzephalograph«, wiederholte Ellen mit eisiger Stimme. »Und das da vorne«, sie deutete auf das kunterbunte Kabelgewirr, das vom Stuhl zur Kiste führte, »die dünnen Kabel mit den Elektroden, das sind Messelektroden, die man einem Patienten mit leitfähiger Elektrodenpaste auf die Stirn und andere Körperpartien setzt.«
    Zwei, drei Atemzüge lang starrte der Wirt die junge Ärztin mit weit heruntergeklapptem Unterkiefer an, dann zwang er sich zu etwas, das wohl ein Lächeln hätte werden sollen. »Die scheinen hier ja verdammt abgefahrene Musik gehört zu haben«, sagte er.
    Verdammt abgefahrene Musik, hallten seine Worte in

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