Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nemesis 05 - Die Stunde des Wolfs

Nemesis 05 - Die Stunde des Wolfs

Titel: Nemesis 05 - Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
meinem Kopf wider. Der letzte Mosaikstein ... Alles war wieder zum Greifen nah. Dieser Ort hier war gefährlich, er war ...
    Ich hatte das Gefühl, verzweifelt gegen einen schier unüberwindlichen Wall in meinem Gedächtnis anzustürmen. Da war etwas, was ich über diesen Raum, über die gesamte Burg, wissen sollte, etwas ungemein Wichtiges ...
    Warum konnte ich mich nicht daran erinnern? Ich konnte die Informationen, die in meinem Unterbewusstsein lagerten, mit allzu entschiedener Deutlichkeit sehen. Aber ich konnte sie nicht erkennen.
    Unwillkürlich musste ich an einen Zeitungsartikel denken, den ich aus lauter Langeweile während meiner Anreise im Zug gelesen hatte. Eine Reportage über die Fähigkeit von Kindern, schreckliche Erinnerungen an traumatische Erfahrungen gänzlich aus dem aktiven Bewusstsein auszublenden. War ich vielleicht wirklich schon einmal hier gewesen? Ich konnte mich an viele Internate erinnern, die ich in meiner Kindheit und Jugend besucht hatte, und Burg Crailsfelden befand sich definitiv nicht darunter. Vielleicht, weil mein Gedächtnis mich vor irgendetwas zu schützen versuchte, indem es sich weigerte, sich darauf zu besinnen, warum mir dieser unheimliche Turm so schrecklich bekannt vorkam?
    »Auch wenn die Technologie aus heutiger Warte betrachtet vorsintflutlich ist«, schwadronierte Ellen düster.
    »Diese Headboxen hier sind ganz eindeutig nicht aus dem Dritten Reich. Ich schätze, diese Geräte sind irgendwann in den Achtzigern hier eingebaut worden.« Wahrscheinlich war es einfach ihre Art, über etwas, in dem sie sich auskannte, zu reden, um gegen die Angst anzugehen, die sie empfinden musste, während sie in die Pistolenmündung starrte, die Carl nun schussbereit auf sie gerichtet hielt. Ihr musste durchaus bewusst sein, dass wir mit dieser Information ausreichend versorgt waren, aber die Ärztin redete einfach vermeintlich fachkundig und mit durchaus fester Stimme weiter. Mir sollte es recht sein.
    Wenn ich sie unten in der Anatomiesammlung auch für ihre verdammten, knochentrockenen Erläuterungen hätte umbringen können, war es mir in diesem Augenblick wieder lieber so, als dass sie vielleicht ein weiteres Mal in dieser Nacht die Kontrolle über sich verlor und ausklinkte, was in Anbetracht der scharfen Schusswaffe in der Hand des Wirtes durchaus dramatische Folgen hätte haben können. »Das Hauptgerät scheint gar nicht hier in der Turmkammer zu sein«, stellte sie mit einem prüfenden Blick, den sie durch den großen Raum schweifen ließ, fest.
    »Durch das Hauptgerät mit dem angeschlossenen Schreibsystem werden die Messsignale zur Auswertung auf Papier übertragen. Die Headbox hier ist lediglich ein Differenzverstärker, der neben den EEG-Signalen von etwa zehn Mikrovolt auch die Störspannungen im Raum misst und sie eliminiert.« Sie deutete mit einem Nicken auf die nächstgelegenen Lautsprecher. »Wenn diese Anlage aufgeschaltet wird, müssen die Störspannungen hier im Turm gewaltig sein. Ich frage mich ...«
    Plötzlich durchfuhr ein heftiges, schmerzhaftes Stechen meine Schläfen, das sich binnen weniger Sekunden in ein qualvolles, immer weiter ansteigendes Hämmern steigerte.
    Von einem Augenblick zum nächsten begannen meine Augen zu brennen, als hätte sich meine Tränenflüssigkeit in eine ätzende Säure verwandelt. Aber mein Leid war nicht der Grund, weshalb die Ärztin mitten im Satz abgebrochen hatte und plötzlich vor Schreck erstarrt war. Wie durch einen Schleier erkannte ich, dass sie deutlich zu zittern begann und dem leisen, dumpfen Dröhnen lauschte, das beständig mit meinen Kopfschmerzen anstieg, bis der steinerne Boden unter unseren Füßen nach wenigen Augenblicken leicht zu vibrieren begann. Das Geräusch musste aus der riesigen Bassbox am Boden des unheimlichen Burgturmes stammen.
    »Raus hier!«, entfuhr es Judith entsetzt. Sie griff nach meiner Hand und wollte mich mit sich zurück auf die Rampe und Richtung Ausgang ziehen, aber der Schreck und der übermächtige Schmerz lähmten meine Glieder.
    Zwei, drei Sekunden lang zerrte sie verzweifelt an meinem Handgelenk, ließ mich schließlich los und sprintete in heller Panik allein auf die hölzerne Tür zu.
    Der Wirt wirbelte wutschnaubend zu ihr herum und zielte mit der Pistole in ihre Richtung. »Ich lass mich von euch nicht verscheißern!«, fluchte er und entsicherte die Waffe. »Mich voll labern und dann abhauen! Nicht mit mir!«
    Er würde schießen! Der Schmerz trübte meinen Blick und

Weitere Kostenlose Bücher