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Nemesis 06 - Morgengrauen

Nemesis 06 - Morgengrauen

Titel: Nemesis 06 - Morgengrauen Kostenlos Bücher Online Lesen
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bitte um Frau Doktor Bergmann.«
    Ich nickte in Ellens Richtung. »Die Operationsnarbe macht ihr zu schaffen. Sie hat Schwierigkeiten, aus eigener Kraft zu gehen.«
    »Glauben Sie, man kann ihr trauen?«, flüsterte der Pfleger und blickte argwöhnisch durch das Zimmer. »Sie ist doch auch eine von ... von denen.«
    »Bei ihr besteht keine Gefahr«, entgegnete ich ruhig, um dem Mann die Angst zu nehmen. »Die Veränderungen sind bei Frau Doktor Bergmann nicht so weit fortgeschritten wie bei Gorresberg.«
    Während ich sprach, forschte ein Teil meines Bewusstseins noch immer in den Gedanken des Pflegers. Diese verdammte Begabung war einen feuchten Dreck wert!
    Gerade in diesem Moment erhaschte ich eine Erinnerung, wie der Kerl seine Pflegerprüfung bestanden hatte, weil er bei seinem Nachbarn abgeschrieben hatte. Es war, als suchte ich nach der berühmten Nadel im Heuhaufen.
    Ellen kroch rückwärts in die hinterste Ecke des Zimmers, als der Pfleger sich ihr näherte. Offenbar rechnete sie fest damit, dass nun auch sie ermordet werden würde.
    Wie sollte sie schließlich auch begreifen, was hier geschah? Gewiss hatte Professor Sänger sie nicht wie Judith in seine Pläne eingeweiht.
    Der Gedanke an Judith löste eine neuerliche Welle ohnmächtigen Zornes in mir aus. War vielleicht doch alles nur gespielt gewesen? Hatte sie vielleicht in Wirklichkeit nichts, aber auch gar nichts für mich empfunden? Aber warum hätte sie das denn tun sollen?
    Der Hüne packte Ellen unter den Schultern und zog sie in die Höhe. Die Ärztin war zu schwach, um sich gegen ihn zu wehren. In ihr Schicksal ergeben, fügte sie sich. Ich sah mühsam zurückgehaltene Tränen der Angst in ihren Augen aufblitzen und wünschte mir, irgendetwas sagen zu können, um sie zu beruhigen. Vielleicht konnte ich es ihr durch ihre Gedanken mitteilen ...
    Nein, das war Unsinn. Ich konnte Gedanken manipulieren, aber ich konnte nicht durch den Kopf eines anderen Menschen sprechen. Außerdem konnte ich es mir überhaupt nicht leisten, meine Konzentration auf den Pfleger aufzugeben oder auch nur einzuschränken. Wenn der Kerl nur einen Augenblick lang wieder Herr seiner Gedanken wurde und nicht mehr glaubte, Professor Sänger vor sich zu sehen, waren wir beide wahrscheinlich sofort tot.
    Meine Beine begannen zu zittern, so dass ich mich einen Moment an der Wand anlehnen musste. Wenn ich doch nur wüsste, wie dieser verdammte Kerl hieß! Aber im Gegensatz zu den Ärzten trugen die Pfleger und Schwestern hier keine Namensschildchen auf der Brust. Sprach Sänger seine Leute mit Namen an, oder waren ihm unbedeutende kleine Lichter wie dieser Fleischberg vollkommen gleich? Nein. Bei dem, was in dieser Klinik geschah, musste das Personal handverlesen sein. Jeder Einzelne musste von der Sache überzeugt sein. Das Risiko, dass irgendjemand, der plauderte, alles verdarb, war viel zu groß, obwohl wahrscheinlich nur eine Hand voll Leute überhaupt wusste, woran hier konkret geforscht wurde, und Zugang zu den Laboren hatte, die unmittelbar unter der Burg lagen.
    »Ist Ihnen nicht gut, Herr Professor?« Der Mann klang nicht wie ein Speichellecker, sondern aufrichtig besorgt.
    Ich winkte ab. »Alles in Ordnung«, log ich. »Es ist das Alter, wissen Sie. Diese Nacht, das war alles ein bisschen viel ...« Und angeschossen zu werden und mit Drogen voll gepumpt zu werden vor allen Dingen, fügte ich in Gedanken hinzu. »Seien Sie doch so gut und bringen Sie Doktor Bergmann und mich in mein Büro. Ich habe dort ein paar Dinge mit ihr zu besprechen. Ich habe den Eindruck, dass sie nicht versteht, was um sie herum passiert.«
    Der Hüne lächelte herablassend, während Ellen mich mit weit aufgerissenen Augen anstarrte. Zum Glück hatte sie sich wenigstens weit genug unter Kontrolle, um jetzt nicht alles mit dummen Fragen zu verderben.
    »Soll ich einen Rollstuhl holen?«, fragte der Pfleger.
    »Nein, nein«, winkte ich entschieden ab. »Es ist schon gut. Das war nur ein kleiner Schwächeanfall. Gehen Sie vor. Ich kann aus eigener Kraft gehen.« Die letzten Worte sprach ich mit einer gewissen Schärfe in den Silben aus, um deutlich zu machen, dass das Thema für mich endgültig erledigt war. Sänger war gewiss kein Mann, der lange mit seinen Untergebenen herumdiskutierte. Jedenfalls vermutete ich das.
    Der Pfleger stellte keine weiteren Fragen mehr, sondern trug Ellen unter den Achseln gepackt eher auf den Ausgang zu, als dass er sie bloß stützte. Wir verließen den Raum, strebten

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