Nemesis 06 - Morgengrauen
sein schien. Das hier war kein Krankenhaus, und diese Menschen in den sterilen grünen Kitteln waren keine gewöhnlichen Mediziner. In keiner Klinik auf dieser Welt, und sei sie noch so schlecht und verdorben, würden Ärzte bei einem derart makaberen, grauenhaften Schauspiel einfach zusehen, geschweige denn sich beim Nichteingreifen zusehen lassen!
Ich musste hier weg! Mit einem entschlossenen Ruck setzte ich mich halbwegs auf. Zuallererst musste ich diese verdammten Kabel und Schläuche loswerden, die an allen möglichen und unmöglichen Stellen in meinen Körper hineinführten! Hektisch tastete ich nach einer der Kanülen, die in meiner linken Armbeuge steckten; ein widerliches grünes Plastikding, das mit über Kreuz geklebten Pflastern gesichert war, damit es sich nicht verschieben konnte, wenn ich den Arm bewegte.
Neben der Kanüle lag ein dünnes Kabel, das ebenfalls unter das weiße Pflaster führte und an einen kleinen Chip grenzte, der ein kleines Stück weit darunter hervorlugte.
Ich fragte mich einen Moment lang, was dieses seltsame Ding dort wohl messen sollte, entschied aber schnell, dass es mich nicht wirklich interessierte. Wichtig war nur, dass ich es so schnell wie möglich loswurde. Mit vor Aufregung zitternden Fingern tastete ich nach dem Pflaster, schaffte es aber auch dieses Mal nicht auf Anhieb, es abzureißen. Tolle Welt, fluchte ich im Stillen. Man war in der Lage, zum Mond zu fliegen und sich dabei von Affen und Hunden Gesellschaft leisten zu lassen, aber nicht, ein Pflaster zu produzieren, das einen nicht rachsüchtig skalpierte, wenn man sich an ihm zu schaffen machte!
Meine Finger fühlten sich unangenehm taub an, so als ob mein Arm eingeschlafen gewesen wäre. Ein fieses Prickeln erfüllte meine Fingerkuppen, und ich spürte, wie kalter Schweiß auf meine Stirn trat. Verdammt, was hatte man mit mir gemacht? Es konnte doch nicht sein, dass ich allein beim Versuch, ein bescheuertes Pflaster zu entfernen, ins Schwitzen geriet!
Mein Blick wanderte unsicher und panisch zu den Infusionsflaschen, die an dem Ständer neben meinem Bett baumelten. Alle waren mit klaren Flüssigkeiten gefüllt, die wie Wasser aussahen. Kochsalzlösung, Nährstoffe, Vitamine, Mineralien und weiß der Geier, was man noch alles in die Flaschen gemischt hatte, um es in verschiedenem Rhythmus über die dünnen Schläuche in meine Adern zu pumpen. Nichts davon konnte wichtig sein. Ich konzentrierte mich wieder auf das Pflaster und schimpfte mich selbst einen Idioten, weil ich eine halbe Ewigkeit benötigte, um es so weit zu lösen, dass ich es an einem Zipfel packen und mit einem energischen Ruck abreißen konnte.
In derselben Sekunde ertönte ein schrilles, durchgehendes Piepen von der Batterie der seltsamen Monitore und Computer, die rund um mein Bett aufgestellt waren und bislang mit monotonem Summen Kurven geschrieben und Unmengen von Papier ausgedruckt hatten. Ein Alarm!
Wieder schmeckte ich einen bitteren Geschmack auf der Zunge, und mich fröstelte plötzlich und heftig. Ich sah, wie eine der Maschinen, von der ein weiterer Schlauch zu einer Kanüle an meinem Körper führte, plötzlich schneller pumpte, und begriff trotz des Schleiers, der sich fast augenblicklich über mein Bewusstsein senkte, dass der Alarm automatisch die Dosis eines Beruhigungsmittels, das durch einen der Schläuche lief, erhöhte. Auf einmal hatte ich das Gefühl, als rückten die Maschinen, die Monitore, die Wände der Kammer, einfach die ganze Welt langsam von mir fort. Unsichtbare Watte hüllte mich ein, streichelte jegliches Aufbegehren binnen weniger Sekunden von mir ab und ersetzte es durch ein Gefühl von Ruhe, Zufriedenheit und wohltuender Müdigkeit. Widerstandslos ließ ich mich auf das Kissen zurücksinken und schloss die Augen.
Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie lange ich geschlafen hatte, als ich wieder erwachte. Ich befand mich noch immer in der kleinen, unwohnlichen Kammer, in der ich weggedämmert war, angeschlossen an unzählige Infusionsflaschen und Maschinen, die besser ins Raumschiff Enterprise gepasst hätten als in etwas, das zumindest als Krankenzimmer dienen sollte. Es gab keine Fenster in dem Raum, so dass ich mich nicht einmal ungefähr am Stand des Mondes orientieren konnte – wenn es denn noch Nacht war. Doch nicht einmal das konnte ich mit Sicherheit sagen. Es hätten inzwischen gleichsam Minuten wie auch Stunden oder gar Tage vergangen sein können; mein Zeitgefühl war mir vollständig abhanden
Weitere Kostenlose Bücher