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Nemti

Nemti

Titel: Nemti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Wloch
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wäre möglich.«
    »Nicht in meinem Gartenhäuschen. Ich nehme an, dass selbst Menschen, die unter der Brücke leben, einen gewissen Schlafkomfort genießen wollen und in waagerechter Lage ruhen. Die Hütte ist so zugestellt, da ist kein Platz zum Liegen.«
    »Dann fällt diese Möglichkeit weg. Hast du den Einbruch bei der Polizei angezeigt?«
    »Nein. So etwas ist eine Bagatelle, ein Verwaltungsakt, mehr nicht. Aufgenommen, gelocht und abgeheftet.«
    »Unterschätze meine Kollegen von der Polizei nicht.«
    »Was hätten sie schon unternehmen können? Die haben bestimmt Wichtigeres zu tun.«
    »Möglich, aber vielleicht liegen weitere Einbruchsmeldungen vor, mit ähnlicher Vorgehensweise. Dann wären sie für jeden Hinweis dankbar.«
    »Darüber habe ich nicht nachgedacht. Jetzt ist es eh zu spät.«
    »Aber denk dran, wenn wieder einmal etwas Ähnliches passieren sollte.«
    »Wovor mich Gott bewahren möge. Ich werde es mir aber merken.« Günther sog heftig an seiner Zigarette. »Sag mal, was war das für ein Typ, den ich am Apparat hatte? So was von kurz angebunden und unfreundlich ist mir noch nicht untergekommen.«
    »Das war Alfons, unser Hausmeister. Ich kann mir allerdings nicht erklären, wie du an den geraten bist. Üblicherweise werden Auswärtsgespräche im Sekretariat entgegengenommen.«
    »So ein Grantler. Gab es Ärger wegen meines Anrufs oder kommst du mit dem klar?«
    »Wir sind nicht gerade ein Herz und eine Seele, respektieren uns aber. Nur wenn er Stress hat, ist es besser, ihm aus dem Weg zu gehen.«
    Kurz danach beendeten sie das Telefonat. Der Einbruch gab Lukas zu denken. Ohne Beute erschien er ihm sinnlos.

Donnerstag, 30. August 2001
     
     
     
    A us dem Raum hinter der Stahltür ertönte ein leises Pochen. Neferkarê wusste, der Meister arbeitete an der Wächterfigur, die seit einiger Zeit unbeachtet auf der Werkbank gelegen hatte. Die Herrichtung des Allerheiligsten hatte in den letzten Wochen die ganze Aufmerksamkeit des Meisters in Anspruch genommen.
    Er schloss sorgfältig die Tür ab und hängte sich den Schlüssel um den Hals. Der Meister, bekleidet mit einer Latzhose, stand vor der Werkbank, vertieft in seine Arbeit. Neferkarê störte ihn nicht, denn es war noch genug Zeit. Die Vorbereitungen für seine Mission waren mit der nötigen Sorgfalt getroffen, es konnte, es durfte nichts schiefgehen.
    Er erinnerte sich, dass er als Kind oft neugierig vor der Tür gestanden hatte. Nur zu gern hätte er nachgeschaut, was es dahinter zu sehen gab, aber sie war stets abgesperrt. Seine kindliche Fantasie gaukelte ihm ein Kaleidoskop von Möglichkeiten vor, über die er inzwischen nur lachen konnte.
    Was er später bei seiner Initiation zu sehen und zu hören bekam, verschlug ihm den Atem. Aber das Gedankengut, das hinter allem steckte, berauschte ihn zugleich. Er legte den Schwur ab, im Namen des Gottes die Mysterien geheim zu halten, auf dass ihn Strafe treffen möge, wenn er zum Verräter würde. Der Meister unterwies ihn und vermittelte ihm die Aufgaben, für die er ausersehen war. Eine Zeremonie, bei der ihm eine entscheidende Rolle zukam, entsetzte ihn damals zutiefst. Eine Gans musste zu Anschauungszwecken ihr Leben lassen.
    Mittlerweile wusste er, dass der Ritus unabdingbar war. Der Meister hatte ihn davon überzeugt. Neferkarê erfuhr, dass, wenn es an der Zeit war, Menschenblut vergossen werden musste.
    »Bist du schon lange da?« Die Worte des Meisters rissen ihn aus seinen Gedanken. Er fühlte sich ertappt.
    »Erst wenige Minuten. Ich wollte Euch nicht stören.«
    Der kahlköpfige Mann legte Stemmeisen und Klopfholz beiseite und fegte die Holzspäne zusammen.
    Neferkarê spürte die Anspannung, die ihn den ganzen Tag über gefangen gehalten hatte, mit jeder Faser seines Körpers. Der Auslöser war nicht etwa die Angst vor dem, was er tun musste, sondern die Vorfreude darauf.
    »Das wird eine wunderschöne Statue.«
    Der Meister wischte sich die Hände an der Latzhose ab. »Wir haben uns nicht hier getroffen, um über mein handwerkliches Geschick zu sprechen. Ich spüre deine Unruhe.« Mit einem feuchten Tuch reinigte er gründlich seine Hände.
    »Es ist die Freude über das, zu dem ich berufen bin, Maître.«
    »Komm her«, forderte ihn der Kahlköpfige auf. »Schließ die Augen.«
    Neferkarê fühlte die Hände des Mannes, die sich auf seinen Kopf legten. Mit den Daumen massierte er zunächst sanft seine Schläfen, dann spürte er den schwachen Druck, den sie ausübten. Mit

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