Nemti
musste sich ziemlich verausgabt haben. Es war ihm recht. Nun kam sein Auftritt, dem er entgegengefiebert hatte. Er verließ seinen Beobachtungsposten und lief leichtfüßig auf den Parkplatz. Es gelang ihm, wie er geplant hatte, kurz nach der Frau dort anzukommen. Als er an ihr vorbeikam, grüßte er kurz und trabte zu seinem Auto.
»Verdammter Mist«, rief die Frau in diesem Moment ärgerlich – und er wusste, dass sein Plan aufgegangen war.
Er drehte sich um. Die Brünette stand schwer atmend neben ihrem Wagen und stemmte die Hände in die Hüften.
»Was ist?«, fragte er und kam sich scheinheilig vor, was ihm aber nicht das Geringste ausmachte.
»Der Reifen ist platt.« Die Joggerin trat mit dem rechten Fuß gegen den fast luftleeren Reifen. »Verdammt.« Sie raufte die Haare, wobei sich der Zopf langsam auflöste. »Was mach ich denn jetzt?«
Er war mittlerweile neben der Frau angekommen und sah sich das Malheur an. »Sie machen nichts, das ist Männersache. Sie haben doch ein Ersatzrad dabei?«
»Ja, natürlich. Würden Sie das wirklich für mich tun?«
»Selbstverständlich. Ist doch Ehrensache.«
»Da bin ich aber froh, dass ich Sie hier getroffen habe. Kann ich dabei helfen?«
Ich glaube nicht, dass du später auch noch erfreut darüber sein wirst, dachte er und ein Zucken spielte um seinen Mund.
»Lassen Sie mal. Das schaffe ich schon allein. Sie ziehen was über und setzen sich so lange in meinen Wagen.«
Die Frau öffnete die Beifahrertür des Fiestas und angelte eine schicke Sportjacke vom Sitz, die sie sich über die schmalen Schultern warf.
»Kommen Sie.«
Nebeneinander spazierten sie zu Neferkarês Wagen. Er öffnete die Tür auf der Beifahrerseite und bat die junge Frau mit höflichen Worten Platz zu nehmen.
»Sie haben bestimmt Durst.«
»Ja, schon. Laufen macht bekanntermaßen durstig.« Die Frau lächelte ihn offen an.
»Da habe ich was für Sie. Einen Moment, bitte.« Er öffnete die Hecktür seines Autos. Im Kofferraum befanden sich stets einige Flaschen Mineralwasser. Er reichte der Frau eine Flasche. »Hier, bitte. Können Sie austrinken, wenn Sie möchten.«
Die Joggerin bedankte sich und trank einen großen Schluck. Er stand lächelnd daneben. Hätte sie ihn in diesem Augenblick angesehen, wäre ihr sicherlich das teuflische Aufblitzen in seinen Augen aufgefallen.
»Ich werde mich um den Radwechsel kümmern.«
Sie nickte ihm zu und zog die Jacke enger um die Schultern, als ob sie friere.
Die Frau war ahnungslos und völlig überrascht, als er die Elektroden des Elektroschockers gegen ihren Hals drückte. Sie riss weit die Augen auf. Ein Zucken durchlief ihren Körper, dann sackte sie im Sitz zusammen.
Bis zu diesem Augenblick war es einfach gewesen. Doch dann geschah das, von dem Neferkarê gehofft hatte, dass es nicht passieren würde: Ein Auto fuhr auf den Parkplatz. Wenn durch die neu entstandene Situation der Erfolg seiner Mission nicht gefährdet werden sollte, musste er handeln. Doch das hing davon ab, wie sich die Leute verhalten würden. Wenn es Jogger waren, verließen sie den Wagen und liefen in den Wald. Das wäre ihm am angenehmsten gewesen. Oder waren es Wanderer, die ihre Rucksäcke aufnehmen und gehen würden? Das wäre auch akzeptabel und würde nur etwas länger dauern. Sie sollten nur so schnell wie möglich vom Parkplatz verschwinden. An die dritte Möglichkeit, dass sie nämlich auf ihn zukommen könnten, weil sie eine Frage hatten, mochte er nicht denken. Dann wurde es brenzlig. Im schlimmsten Fall könnten sie zu seinem Auto kommen, in dem das Opfer saß. Das wäre der GAU. Das durfte er auf keinen Fall zulassen.
Er versuchte sein aufgewühltes Innenleben zu beruhigen, um klar denken zu können. Es fiel ihm schwer, aber er zwang sich dazu. Tief durchatmend beobachtete er das Auto. Noch hatte er keinen Anhaltspunkt dafür, wie sich die Personen verhalten würden.
Zwei Männer mittleren Alters stiegen aus. Sie trugen Kniebundhosen, eindeutig Wanderer. Der Fahrer öffnete den Kofferraum und holte aus einem Rucksack eine Landkarte hervor, die er aufklappte. Der andere Mann stellte sich daneben und diskutierte mit ihm.
Aus ihren Gesten entnahm Neferkarê, dass der ungünstigste Fall eingetreten war. Die hatten garantiert eine Frage. Panik stieg in ihm auf. Nur die Ruhe.
Mit einem Mal wusste er, wie er aus dieser prekären Lage herauskommen könnte. War es Intuition gewesen, dass er am Vormittag seinen alten Trainingsanzug angezogen hatte? Jetzt kam
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