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Nemti

Nemti

Titel: Nemti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Wloch
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ihm dieser Entschluss zugute. Er ließ seine Arme durch die Luft kreisen und fiel in einen lockeren Trab. Als Jogger aufzutreten, war die perfekte Tarnung. Noch während er die ersten Schritte auf die Wanderer zu machte, zog er die Kapuze der Trainingsjacke über den Kopf.
    Er hatte die Männer fast erreicht, es mochten noch fünf Meter sein, als er abrupt stehen blieb und vor sich auf den Boden blickte. Er hockte sich nieder. Scheinbar hatte sich ein Schnürsenkel an einem der Laufschuhe gelöst. Ob ihn die beiden wohl bemerkten? Eigentlich benahm er sich auffällig genug.
    »Entschuldigung«, sprach ihn der Fahrer an. »Können Sie uns sagen, wie wir zum Lydiaturm kommen?«
    Der Trick war gelungen und die Männer von der Joggerin abgelenkt. Mit einem Schlag kehrte seine Abgeklärtheit zurück. In diesem Moment war er sicher, dass er die bedrohliche Situation im Griff hatte. Ohne von seinen Schuhen aufzuschauen, zeigte er mit dem rechten Zeigefinger in Richtung eines schmalen Fußwegs, der in den Wald hineinführte.
    »Sie gehen den Weg da rein und am ersten Abzweig nach rechts. Dann kommen Sie hin«, belehrte er die Männer mit verstellter Stimme.
    »Das ist aber einfach.«
    »Wenn man sich auskennt.«
    Die ganze Zeit über blickte er stur nach unten und hantierte an seinen Schnürsenkeln herum.
    Der Mann bedankte sich für die Auskunft. Endlich spazierten die Wanderer vom Parkplatz.
    Er schloss erleichtert die Augen und atmete tief durch. Das war gut gegangen und die Wanderer waren bestimmt nicht in der Lage, ihn zu beschreiben. Er hatte peinlich darauf geachtet, dass sie sein Gesicht nicht sehen konnten.
    Neferkarê erhob sich und blickte den Männern nach, die an einer Biegung des Wegs hinter einem Gebüsch verschwanden. Er vergewisserte sich, dass er mit der Frau allein war. Es hieß, schnell zu handeln. Er musste von dem Parkplatz hinunter. Aus der Tasche seiner Jacke zog er ein Paar Einmalhandschuhe hervor. Die würde er einige Zeit tragen müssen.
    Der Kopf der Joggerin ruhte an der Kopfstütze. Sie hielt ihn leicht schräg. Ein friedliches Bild. Es sah aus, als schliefe sie. Sie atmete ruhig und flach.
    Er beugte sich über sie und griff nach dem Sicherheitsgurt, legte ihn über ihren Oberkörper und hakte ihn im Gurtschloss fest. Auf eine Bewegung der Frau reagierte er sofort und drückte ihr ein weiteres Mal den Elektroschocker gegen den Hals.
    Kurze Zeit später saß er hinter dem Lenkrad seines Wagens und fuhr vom Parkplatz. Die Straße war frei und er gab Gas. Wenn er von dem Zwischenfall mit den Wanderern absah, hatte der erste Teil seiner Aufgabe reibungslos funktioniert. Aber würden ihn die Männer nicht vielleicht doch wiedererkennen? Ebenso schnell, wie die Zweifel aufkamen, verwarf er den Gedanken. Nein, seine Vorstellung war perfekt gewesen. Er hatte keinen Fehler begangen, der seine Mission infrage gestellt hätte. Aber er konnte sich keine weiteren Zwischenfälle leisten. Er sah auf die Uhr. In weniger als einer Stunde dürfte es dunkel genug sein für den Glanzpunkt seiner Mission.
    Auf der Höhe von Wassenach bog er von der Tönissteiner Straße ab und lenkte den Wagen nach links auf die Landstraße nach Glees. Er fuhr jetzt genau nach Westen, der untergehenden Sonne entgegen. Allerdings konnte er sie nicht sehen. Eine mächtige Wolkenbank über dem Horizont, aus der unten graue Schleier von Regenschauern heraushingen, verdeckte den Blick auf die Sonne. Es war ihm recht. Je mehr Wolken den Himmel bedeckten, desto eher würde es dämmrig werden.
    Er erreichte die Höhe. Südlich der Straße erhob sich der bewaldete Gipfel des Veitskopfs. Er wirkte düster an diesem Abend. Im Norden, allerdings um einiges weiter entfernt als dieser Berg, erkannte er den großen Basalt-Abbau am Kunkskopf.
    Hinter einer Baumgruppe mit einem alten Wegmal, das aufgrund seiner Form wie ein Schöpflöffel aussah, lenkte er sein Auto an den linken Straßenrand und stellte den Motor ab. Hier oben war es einsam und still. Die abendliche Ruhe und Abgeschiedenheit wollte er für sein Vorhaben nutzen. Die Dämmerung hatte eingesetzt, und durch die weiter zunehmende Bewölkung senkte sich die Dunkelheit schneller über das Land, als es bei klarem Himmel der Fall gewesen wäre. Selbst die Natur schien ihn bei seinem ehrvollen Vorhaben unterstützen zu wollen.
    Neferkarê stieg aus, öffnete die Hecktür und entnahm einer Sporttasche einen blauen Einweg-Overall, der in einer durchsichtigen Plastikhülle verpackt war. Den

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