Nemti
Was soll mir eingefallen sein?«
»Zum Beispiel eine Beobachtung, die dir damals unwichtig erschien.«
Kräuter-Jupp stützte seine Ellbogen auf das Lenkrad und legte das Kinn auf die Hände. Er grübelte angestrengt. »Ich weiß aber nix mehr.«
»Ist da nicht noch irgendetwas, Jupp? Denke bitte nach.«
»Was mache ich wohl die ganze Zeit? Löcher in die warme Luft glotzen? Jung, das ist drei Wochen her.«
»Aber möglicherweise erscheinen dir inzwischen gewisse Dinge klarer. Auch könnten neue Details in deinen Erinnerungen aufgetaucht sein.«
»Nee«, meinte Kräuter-Jupp säuerlich und hob den Kopf. »Ich hab alles gesagt.«
»Okay.« Lukas resignierte. »Ich lasse dir meine Karte da. Steht meine private Handynummer drauf. Wenn dir noch etwas einfallen sollte, ruf mich an. Versprochen?«
»Jo, jo.« Kräuter-Jupp seufzte und nahm Lukas die Visitenkarte ab. »Aber mach dir keine großen Hoffnungen.« Er steckte die Karte in die Brusttasche seines Flanellhemds.
Lukas stemmte sich aus dem Notsitz hinaus. Kräuter-Jupp sah ihm belustigt zu, wie er seine Beine entknotete.
»Warte«, meinte er plötzlich und griff nach Lukas’ Arm. Auf seiner Stirn bildeten sich Falten.
Lukas fiel in den Sitz zurück. »Ist noch was?«
Mit einer Handbewegung gab ihm Jupp zu verstehen, ruhig zu sein. »Ich habe am Wehrer Breitel Kräuter gesucht und bin anschließend in Richtung Autobahnunterführung gefahren. Da war einer im Trainingsanzug unterwegs.«
»Wo?«
»Am Wehrer Breitel. Der liegt direkt nördlich des Laacher Kopfs. Warum ist mir das nicht schon früher eingefallen?«
»Kannst du den Mann beschreiben? Es war doch einer?«
»Ich denke ja. Aber er war weit weg und trug eine Kapuze.«
»Was für eine Farbe hatte der Anzug?«
»Schwarz, glaube ich.«
»Du bist dir nicht sicher?«
»Nein.«
»Das ist aber nicht ungewöhnlich«, fuhr Lukas fort. »Jogger sieht man hier doch überall.«
»Einem Jogger bin ich da noch nie begegnet, und ich bin sehr oft dort. Da laufen nur Wanderer herum.«
»Wie spät war es etwa?«
»Gegen fünfzehn, sechzehn Uhr.«
»Wohin war der Mann unterwegs?«
»Hab ich nicht drauf geachtet. Ich musste weiter nach Wehr. Mehr kann ich dir nicht sagen.« Kräuter-Jupp erhob sich aus der Sitzschale. »Lass mich mal vorbei und komm mit nach hinten. Du solltest dir mein Warensortiment ansehen.«
»Wozu? Ich bin wunschlos glücklich.«
»Das gibt es nicht.« Mit einer Geste wischte er Lukas’ Einwand weg.
Einen Moment später standen sie hinter dem Anhänger. Jupp schlug die Plane zurück. »Jeder braucht was. Salben und Tinkturen, Heilwasser, Kräutertees. Alles da. Einreibemittel gehen im Moment ausgesprochen gut.« Er stieg auf den Anhänger. Lukas bemerkte, dass er auf einem Bein lahmte. Aus einem Pappkarton kramte er eine Flasche hervor.
»Was ist das?«
»Ein selbst hergestelltes, biologisch reines Einreibemittel.«
»Für mich ist das ein Aufgesetzter.«
»Blödsinn. Du weißt doch genau, dass ich Spirituosen aus eigener Produktion ohne Lizenz nicht verkaufen darf.« Kräuter-Jupp grinste breit. »Das ist zur äußerlichen Anwendung gedacht. Natürlich kann man es auch zur innerlichen Einreibung verwenden, zum Beispiel bei Verdauungsstörungen oder Magenbeschwerden.«
»Also doch was zum Trinken.«
»Wie willst du das Einreibemittel denn sonst in dich hineinbekommen? Geht doch nur oral. Außer, du möchtest dir einen Einlauf gönnen.«
»Du bist clever und hast für alles eine plausible Erklärung parat.«
»Ich werde dir das einmal erklären«, sagte Jupp schmunzelnd und setzte sich auf den Hänger. »Es ist wie beim Sex. Mein Pastor predigt, dass Sex nur praktiziert werden soll, wenn man ein Kind zeugen möchte. Und dabei darf man nicht einmal Spaß haben. Genauso ist das mit diesem Mittel. Das sollte man nur bei gesundheitlichen Komplikationen zu sich nehmen und auch nur mit Widerwillen. Hast du verstanden?«
»Ja. Gib her. Kostenpunkt?«
»Zehn Mark. Ein Sonderpreis, weil du es bist.« Kräuter-Jupp reichte ihm die Flasche und hielt die Hand auf.
Lukas kramte sein Portemonnaie hervor und zahlte den geforderten Betrag. »Du rufst an, wenn dir noch etwas einfallen sollte?«
Jupp zurrte die Plane seines Anhängers fest. »Nerv mich nicht, Jung. Geh mal weg.« Er schob sich an Lukas vorbei und kletterte auf den Bulldog, wo er das zerschlissene Kissen aufschüttelte und akkurat in der Sitzschale zurechtlegte. »Ich muss weiter. Meine Kundschaft wartet.«
Er ließ den
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