Nemti
vereinzeltes Husten und Räuspern zu vernehmen.
»Eine letzte Frage noch«, meldete sich gegen Ende der Pressekonferenz ein junger Mann mit Fistelstimme, als die ersten Journalisten bereits den Raum verließen. »Gutzeit vom Wochenblatt. Was meinen Sie, wann werden Sie den Täter hinter Schloss und Riegel bringen?«
»Das, mein Herr, kann ich Ihnen ganz genau sagen. Ungefähr eine halbe Stunde, nachdem wir ihn geschnappt haben«, konterte Habermehl.
Der Saal leerte sich, Lukas blieb aber noch eine Weile sitzen.
»Das war’s.« Habermehl wischte sich den Schweiß aus dem Nacken.
»Sie waren gut«, lobte Lukas.
»Reine Routine.« Langsam erhob sich Habermehl. »Ich bin mit Frau Doktor zum Essen verabredet. Nur damit Sie Bescheid wissen.« Er verließ das Podium.
Nachdenklich ging Lukas zurück ins Kommissariat.
Von Weinbrecht hatte Lukas die Ermittlungsakte zum Mordfall Veitskopf erhalten und war tief in sie eingetaucht. Nach einer Weile legte er sie beiseite und blickte zu Habermehl hinüber, der ein Telefonat beendet hatte.
»Was ist? Ihr Gesicht verrät mir, dass Sie etwas auf dem Herzen haben. Raus damit.«
»Sie tragen eine schöne Uhr«, erwiderte Lukas verschmitzt.
»Wollen Sie über Armbanduhren plaudern?«
»Gewiss nicht. Ich denke über das Zeichen nach, das der Mörder den Opfern in die Wange geritzt hat.«
»Dabei kommen Sie nicht weiter?«
»Was soll ich sagen? Das Zeichen ist nicht fassbar. Das geht mir ungemein gegen den Strich.«
Habermehl lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. Sein Hemd spannte über dem Bauch. »Dann lassen Sie uns darüber reden«, schlug er mit ernster Miene vor.
»Fangen Sie an, Herr Habermehl.«
»Okay. Reden wir allgemein über Symbole.« Er rutschte auf dem Stuhl nach vorn. »Es wird definiert als Sinnbild für etwas Bestimmtes oder als ein Zeichen, das einen tieferen Sinn andeutet. Was drückt das Symbol des Mörders aus? Was meinen Sie?«
Lukas dachte eine Weile nach, bevor er antwortete. »Ich glaube, wir haben es mit einem bildhaften Zeichen zu tun, das für einen Begriff oder einen Vorgang steht. Es lässt aber mit diesem keinen Zusammenhang erkennen, wenigstens nicht für einen Außenstehenden. Mit Begriff oder Vorgang meine ich in unserem Fall die Morde.«
»Richtig, und das ist der Knackpunkt. Während ein Symbol auf einem Verkehrszeichen genau definiert ist, kennen wir den Sinn des Symbols unseres Mörders nicht. Für ihn hat es eine handfeste und begreifbare Bedeutung, aber wir haben keine Ahnung.«
»Wir wissen nicht einmal, ob das Symbol eine Geschichte hat. Will sagen, hat es dieses schon einmal in einer Kultur gegeben? Und wenn, hatte es früher eine spezielle Bedeutung? Oder ist es einfach so, dass der Mörder ein abstraktes Symbol anbringt und uns damit zeigen will, dass das, was geschehen ist, allein sein Werk ist? So wie ein Maler sein Bild signiert.«
»Auch möglich. Wir können im Moment nur darauf hoffen, einen Hinweis aus der Bevölkerung zu erhalten. Ich fürchte, wir kommen sonst nicht weiter«, sagte Habermehl deprimiert.
»Aber wir werden uns nicht unterkriegen lassen.« Lukas gab sich Mühe, seine Stimme hoffnungsvoll klingen zu lassen.
»Ganz bestimmt nicht. Worüber wollen Sie noch reden?«
»Gestern gaben Sie mir zu verstehen, dass Sie einen guten Eindruck von mir haben.«
»Ach, habe ich das? Sie wollen sich aber nicht auf diesen Vorschusslorbeeren ausruhen, oder?«
»Nein, ich werde meinen Beitrag zur Aufklärung leisten.«
»Weiter. Was wollen Sie noch? Gurken Sie nicht um den heißen Brei herum. Ich möchte heute nicht wegen Ihnen länger als nötig im Büro bleiben. Ich habe genug Überstunden abzufeiern.«
»Ist Kräuter-Jupp ein möglicher Zeuge oder ein Verdächtiger?«
»Zunächst war er verdächtig, weil er sich am Tag des ersten Mordes in der Nähe des Tatorts aufgehalten hatte. Allerdings hat er für den Mord am Veitskopf ein unumstößliches Alibi. Da nach unseren Erkenntnissen für beide Verbrechen nur ein Täter infrage kommt, können wir ihn als Mörder ausschließen.«
»Also ein Zeuge. Ich würde Kräuter-Jupp gern befragen.«
»Aha, daher weht der Wind.«
»Vielleicht bekomme ich noch etwas aus ihm heraus.«
»Sie glauben allen Ernstes, mehr erreichen zu können als wir?«
»Natürlich nicht. Aber es wäre im Rahmen meines Praktikums eine gute Übung in Verhörpraxis.«
»In Ordnung.« Habermehl senkte den Kopf, doch Lukas bemerkte sein verhaltenes Lächeln.
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