Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nemti

Nemti

Titel: Nemti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Wloch
Vom Netzwerk:
brachte den Tierkopf an der Spitze zwischen sich und den Kometen. Der Eindruck, mit dem Zepter den Kometenkopf zu stützen, entzückte ihn. In dieser Stellung verharrte er mehrere Minuten. Dann legte er das Zepter zurück in die Spirale und ergriff die Waffe.
    Mit dem Erscheinen des Kometen konnte er die Waffenzeremonie abschließen. Auf den Handflächen liegend, hielt er sie vom Körper weg. »Licht des Erhabenen, ehre die Waffe deines ehrfürchtigen Dieners.« Die feinen Riefen im Metall, hervorgerufen durch unzählige Schleifvorgänge, brachen das fahle Licht des Kometen. Wenigstens bildete Neferkarê sich das ein. Er senkte die Waffe und nahm sie in die rechte Hand. Nach einer tiefen Verbeugung richtete er sie schräg nach oben auf die Sterne. »Ich huldige euch, ihr unvergänglichen Sterne im Norden, die ihr nie untergeht.«
    Ein weiteres Mal vernahm er den Ruf des Kauzes. Ein kühler Windstoß ließ ihn frösteln. Er zog den Reißverschluss seiner Jacke höher.
    Neferkarê legte den Kopf in den Nacken. Die auf dem Kraterrand wachsenden Büsche und eine steile Felsnase ließen ihn nur einen begrenzten Ausschnitt des Himmels erkennen. Links von ihm, am nordwestlichen Himmel, stand der Große Wagen, das Sternbild seines Gottes. Er war ein Teil des Sternbilds Großer Bär. Fast im Zenit fand er Deneb, den Hauptstern des Sternbilds Schwan, dessen Sterne vor dem Hintergrund der Milchstraße ein großes Kreuz bildeten. Noch heller strahlte die Wega, die nicht weit entfernt, aber außerhalb der Milchstraße flackerte. Die beiden hellen Sterne bildeten zusammen mit Atair im Adler das Sommerdreieck. Hoch über dem östlichen Kraterrand erkannte er das sogenannte Himmels-W, das Sternbild Cassiopeia.
    Das Wissen über die Sterne hatte ihm vor vielen Jahren sein Vater vermittelt.
    Der Große Wagen zog seine Aufmerksamkeit magisch an. Die Deichsel zeigte annähernd senkrecht nach unten. Der unterste Stern versteckte sich hinter dem Kraterrand. Im Geiste verband er die Deichselsterne mit imaginären Linien.
    Nur schwer riss er sich von dem Anblick los. Es war Zeit, aufzubrechen. Mit dem Fuß stieß er die Feuerstelle auseinander und löschte ein letztes Glutnest. Dem Bogen der Steinspirale folgend, verließ er den Platz und stieg den Weg hinauf in Richtung Stollen. Er schaltete die Taschenlampe aus und warf einen letzten Blick in das Rund des Schlotes. Die nachtschwarzen Felswände hoben sich kaum vom dunklen Firmament ab. Eine Wolke zog langsam vor den Kometen.
    Er fingerte einen Lapillus aus der Tasche und legte ihn auf einen Basaltblock. Der kugelrunde Stein sollte eine Dankesgabe für das Vorhandensein des Kraftortes und die spirituelle Unterstützung durch seinen Gott sein.
    Im nächsten Augenblick tauchte er in die Schwärze des Stollens ein.

Dienstag, 11. September 2001
     
     
     
    » M orgen.« Lukas eilte an Habermehl vorbei und ließ die Aktentasche neben seinem Schreibtisch auf den Boden fallen. Wortlos nahm er Platz und wischte sich über die Stirn.
    »Was ist los?«
    »Einer hat mir die Vorfahrt genommen und ist mir in die Seite gerauscht.«
    »Ist jemand zu Schaden gekommen?« Habermehl warf ihm einen fragenden Blick zu.
    »Nur Blechschaden. Bei ihm mehr als bei mir.«
    »Niemand verletzt, dann ist alles gut. Aber der Schrecken sitzt Ihnen noch in den Knochen. Beruhigen Sie sich. Waren die Kollegen vor Ort?«
    »Nein, wir haben die Sache unter uns geregelt.«
    »Trinken Sie in Ruhe einen Kaffee, dann wird es Ihnen besser gehen.«
    »Ich mag jetzt keinen Kaffee. Aber ich fühle mich wohler, nachdem ich nun darüber geredet habe.«
    »Gut. Dann sind Sie sicher in der Lage, einen Botengang für mich zu erledigen.«
    »Gern. Was liegt an?«
    »Marschieren Sie rüber zur Kriminaltechnik. Dort liegt eine Mappe für mich. Frau Prohaska weiß Bescheid.«
    »Wird erledigt.« Er war froh über die Ablenkung.
     
    Er stieß die Flügeltür auf und betrat die Räumlichkeiten der kriminaltechnischen Untersuchungsstelle. »Hallo, ist da jemand? Frau Prohaska?« Keine Antwort. Er bog um einen großen Labortisch, auf dem Geräte standen, deren Sinn und Zweck er nur erahnen konnte. »Hallo, Frau Prohaska. Besuch für Sie«, rief er und lauschte. Vor einem Mikroskop blieb er stehen und blickte interessiert durch das Stereo-Okular. Auf dem Objektträger lag ein unscheinbares Teilchen. Er wollte den Fokussierknopf betätigen und das Bild scharf stellen, doch eine strenge, aber angenehme Stimme hielt ihn davon ab.
    »Nicht

Weitere Kostenlose Bücher