Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nemti

Nemti

Titel: Nemti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Wloch
Vom Netzwerk:
Gottesdieners, seinen Eingeweihten stets den rechten Weg zu weisen. Deshalb bin ich glücklich, dass du dich mir offenbart hast. Unsere Berufung ist, den Weg für Seths Erscheinen zu ebnen.«
    Neferkarê nahm die Rechte des Meisters, beugte sich vor und drückte seine Stirn gegen den Handrücken. Eine demütige Geste und Ehrerbietung zugleich. »Ihr wolltet über die Zeremonie sprechen, Maître. Habt Ihr den Ort festgelegt?«
    »Ja. Was ist besser geeignet als ein Kraftort?«
    »Ihr denkt an den Arensberg?«
    »Genau. Wir haben beide die positiven Schwingungen gespürt, die mystische Kraft des Ortes.«
    Vor Monaten hatten sie den erloschenen Vulkan nördlich von Zilsdorf in der Vulkaneifel zum ersten Mal aufgesucht und waren danach in regelmäßigen Abständen hingefahren. Neferkarê dachte an das wohlige Gefühl, das ihn jedes Mal überfiel, wenn er den Stollen betrat, der den Zugang in den ausgehöhlten Vulkanschlot ermöglichte.
    Der Meister trank einen Schluck und öffnete einen verschlossenen Schrank. Einer Halterung entnahm er einen dünnen Stab, das Was -Zepter. Oben zierte es ein stilisierter Tierkopf, das untere Ende lief gegabelt aus. Er hielt es Neferkarê mit ausgestreckter Hand hin.
    »Ihr vertraut mir das Zepter an?« Er war überrascht, denn der Meister hatte es ihm noch nie gegeben.
    »Würde ich kein Vertrauen zu dir haben, hätte ich dich nicht auserkoren. Nimm es an dich.«
    Neferkarê griff zu. Stolz erfüllte ihn.
    »Du weißt um seine Bedeutung?«
    »Es ist ein Zeichen der von den Göttern empfangenen Macht, für Heil und Glück. Und auch eine Stütze des Himmels.«
    Der Meister lächelte hintergründig. »Die Mühen deiner Ausbildung zeigen Erfolg. Gib auf das Zepter Acht. Jetzt zur Zeremonie.«
     
    Eine Stunde nach Mitternacht. Eine geschlossene Wolkendecke verbarg die Sicht auf den gestirnten Himmel. Neferkarê stellte den Wagen vor der Schranke ab. Von dort aus musste er einen halben Kilometer durch den Wald laufen. Seine Augen gewöhnten sich schnell an die Dunkelheit. Nur selten schaltete er die Taschenlampe ein. Auf halber Strecke passierte er eine kleine Kapelle und die Reste von Kreuzwegstationen. Hin und wieder drang das Knacken von morschen Ästen an sein Ohr. Er knipste die Taschenlampe an und entdeckte ein Reh, das voller Furcht flüchtete.
    Zehn Minuten später betrat er den Vulkanschlot. Er horchte in seinen Körper, bis er eine unterschwellige Energie wahrzunehmen glaubte. Die hohen Felswände boten ihm Schutz und Geborgenheit. Der schaurig klingende Ruf eines Steinkauzes unterbrach gelegentlich die Stille.
    Der Weg hinunter auf die unterste Ebene des ehemaligen Steinbruchs war mit Geröll übersät. Er leuchtete ihn mit der Taschenlampe aus, in deren Lichtkegel er alsbald die mit Basaltbrocken ausgelegte Spirale sah. In ihrem Mittelpunkt wollte er die Zeremonie durchführen. Er spießte das Was-Zepter in den steinigen Boden.
    Neferkarê entfachte ein Feuer und warf Holzkohle hinein. Als die Stücke glühten, legte er sie auf eine Opferschale. Vorsichtig, um nichts zu verschütten, gab er getrocknetes und gemörsertes Johanniskraut hinzu. Der Meister hatte behauptet, Johanniskraut gäbe Kraft und Energie. Es verbrannte knisternd und verströmte einen eigenartigen Duft.
    Er legte die Schale beiseite und ergriff die Waffe. Dem Rauchopfer folgte die eigentliche Zeremonie, die Waffenweihe.
    »Flamme, reinige die Klinge vom vergossenen Blut.« Langsam führte er die Klinge durch das züngelnde Feuer, bis er die Hitze des Metalls in der Hand spürte. »Blutflamme, du hast geläutert.« Mit einem Leinenlappen wischte er den Rußfilm von der Klinge und legte die Waffe auf den Steinen der Spirale ab. Er goss Wasser in das Feuer, das zischend erlosch. Rauch stieg auf.
    Neferkarê stand im Dunkeln und schloss die Augen. Er stellte sich vor, dass eine Lichtsäule aus dem Kosmos ihn durchströmte und jede einzelne Zelle reinigte. Die Energie der Natur harmonisierte mit seinem Körper. Er fühlte die unbändige Kraft, die ihn durchflutete, und glaubte durch die geschlossenen Lider hindurch ein Licht wahrzunehmen. Unwillkürlich hob er den Kopf. Einbildung oder Wirklichkeit? War es ein Zeichen vom Erhabenen?
    Er riss die Augen auf. Sein Blick blieb an einem hell leuchtenden Kometen mit respektablem Schweif haften. »Erlauchter.« Er verbeugte sich. »Du gibst mir ein Zeichen?« Ehrfurcht ergriff ihn vor dem Sinnbild seines Gottes. Eilig nahm er das Was-Zepter und reckte es gen Himmel. Er

Weitere Kostenlose Bücher