Nemti
Motor an. Schwerfällig und stotternd in Schwung kommend, tuckerte der Diesel nach kurzer Zeit gleichmäßig und dynamisch vor sich hin.
Jupp beugte sich noch einmal zu Lukas herunter. »Tschö, Jung, hat mich jefreut.«
»Ich wünsche dir gute Geschäftsabschlüsse«, rief Lukas und hatte Mühe, den Lärm des Motors zu übertönen.
Krachend legte Jupp den Gang ein. »Und jetzt mach Platz.«
Der Bulldog zog an und vollführte einen unkontrollierten Satz nach vorn. Lukas sprang gerade noch rechtzeitig zur Seite. Das Gespann tuckerte los. Kräuter-Jupp hob entschuldigend die Hand, ohne sich noch einmal umzuschauen.
Lukas spazierte quer über die wenig befahrene Straße hinüber zu seinem Wagen. Beyer stand gegen das Auto gelehnt und telefonierte. Dabei stocherte er mit einem Fuß im Splittbelag des Wegs herum. Als ihn Lukas erreichte, schob er das Mobiltelefon in die Brusttasche seines Hemds. Der grimmige Gesichtsausdruck, den er den ganzen Vormittag präsentiert hatte, war einem verhaltenen Lächeln gewichen. »Und? Hat es was gebracht?« Er nahm ein Blättchen aus einer Box und legte Tabak darauf. Geschickt rollte er die Zigarette und leckte den Klebestreifen an.
Lukas schüttelte den Kopf. »Er hat versprochen, noch einmal über seine Beobachtungen am Laacher Kopf nachzudenken.«
»Wenn der überhaupt etwas gesehen hat.« Beyer steckte den Glimmstängel in den Mund und inhalierte tief den ersten Zug. Er hob den Kopf und stieß den Rauch aus. Seine Gemütslage besserte sich zusehends.
»Kräuter-Jupp konnte ungenaue Angaben über einen Jogger machen. Ich habe ihm meine Visitenkarte gegeben.«
»Ungenauigkeiten helfen uns nicht weiter. Fahren wir zurück.«
5./6. September 2001
D er Meister schob den Spielstein, der einem Zuckerhut ähnelte, über das Spielfeld. Er beherrschte das Senet -Spiel, das sie stets an einem Tisch im Vorraum des Tempels spielten. Neferkarê konnte das rituelle Brettspiel noch nie gewinnen. Auch heute befand er sich im Nachteil. Klare Regeln lagen dem Spiel nicht zugrunde, sie waren nicht überliefert. Die beiden spielten nach mutmaßlichen Regeln. Es gehörte eine Portion Glück dazu, den Sieg an seine Fahne heften zu können.
»Meine sieben Figuren liegen in gutem Fahrtwind in Führung«, verkündete der Meister und deutete damit an, dass er dem Ziel, sieben Steine in ein Feld namens Per Nefer zu platzieren, nahe gekommen war.
Neferkarê schüttelte die vier Holzstäbchen und warf sie. Nur zwei farbige Seiten lagen oben. Das reichte nicht. Er setzte seinen Spielstein auf das entsprechende Feld.
Der Meister warf die Hölzer und hatte Glück. »Ich bin vollzählig an der Spitze des Per Nefer.« Das Spiel war entschieden.
»Ich beglückwünsche Euch. Wieder einmal habt Ihr gesiegt.« Neferkarê stand auf und verbeugte sich.
»Lass uns speisen und trinken.« Der Meister zog ein Leinentuch von einem Tablett, auf dem ein Laib Brot und zwei Becher Bier standen. »Wir sollten über die Waffenzeremonie sprechen.« Er brach das Brot und legte das erste Stück, die Opfergabe für den Glorreichen, auf einen polierten Messingteller. Ein Glasschälchen, gefüllt mit Bier, stellte er daneben.
»Ich würde zunächst gern über eine andere Sache mit Euch reden, wenn Ihr gestattet.«
»Dann hat mich der Eindruck, dass dich etwas bedrückt, nicht getäuscht. Offenbare dich.«
»Ich hatte einen furchtbaren Traum. Die Menschheit wurde vernichtet. In jeder Szene sah ich im Hintergrund die riesige Gestalt von Seth.«
»Der Traum beunruhigt dich?«
»Ja. Glaubt Ihr, das Menschengeschlecht muss ausgelöscht werden, damit die Welt mit sich in Einklang kommen kann?«
Der Meister griff nach Neferkarês Hand und legte sie in seine. Es dauerte eine Weile, bevor er antwortete.
»Wenn der Glorreiche keine andere Möglichkeit sieht, die göttliche Ordnung zu etablieren, muss es geschehen. So weit wird es aber vielleicht nicht kommen.«
»Ihr wollt mir Mut machen.«
»Denke positiv. Das Leben ist oft so verwickelt, dass es im Traum einem Weltuntergang ähnlich scheint. Befreie dich von unnötigem Ballast. Lass nicht zu, dass Albträume den Grundgedanken unserer Mission infrage stellen. Du bist dir der Erhabenheit unserer Aufgabe bewusst?«
»Natürlich. Nur Seth kann verhindern, dass das Chaos weiterhin die Geschicke der Menschen bestimmt. Ich werde die Aufgabe, für die Ihr mich auserwählt habt, gewissenhaft erfüllen. Zweifelt nicht an mir.«
»Es gehört zur Aufgabe eines
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