Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)
Janne?«
Sie hielt die Hände immer tiefer über die Kohle, bis sie sie richtig darin vergrub.
»Verbrenn dich nicht.«
»Ist nicht mehr heiß«, antwortete Janne dumpf.
Ich ging zu ihr, hockte mich vor sie und zog ihren Arm zu mir. Küsste ihre schmutzige Hand und legte sie an meine Wange. Ihre Augen waren so dunkel, dass ich sie nicht wiedererkannte.
»Ich liebe dich.«
»Quatsch.« Janne versuchte ihre Hand wegzuziehen, aber ich ließ sie nicht.
»Nein, ehrlich. Vom ersten Moment an. Was soll ich tun, damit du es glaubst?«
»Hör auf«, sagte sie.
Ich nahm ihre andere Hand, pustete die Asche weg und drückte sie ebenfalls an meine Lippen.
»Sei nicht so ätzend. Alle lieben dich doch. Du musst dich gar nicht so aufführen.«
»Hast du eine Ahnung.« Plötzlich brach sie in Tränen aus.
Ich hatte damit nicht gerechnet. Nicht gedacht, dass sie überhaupt vor mir weinen könnte. Und dass die Tränen so groß sein würden und im Mondlicht glitzerten, wenn sie über Jannes Wangen rollten.
»Du siehst so schön aus, wenn du weinst«, sagte ich.
Sie riss sich los, streckte sich und schlug mir ins Gesicht. Mit der flachen Hand auf die Wange, eine verrutschte, schwache Ohrfeige, die ein anzügliches Geräusch machte. Es tat nicht einmal weh. Dabei war es heute schon der zweite Schlag in mein leidgeprüftes Gesicht. Für einen Moment war ich überrascht, dann näherte ich mich dem Rollstuhl von der anderen Seite.
»Ich halte dir auch die andere hin«, sagte ich lächelnd.
»Du bist ein Schwachkopf. Hast du nicht kapiert, was du gesagt hast?«
»Du siehst so schön aus, wenn du weinst.«
»Eben.«
Jetzt heulte sie richtig. Es waren nicht mehr einzelne Tränen, sondern ganze Sturzbäche, die nasse Spuren in ihrem Gesicht hinterließen. Sie schniefte. Schön machte es sie nicht mehr. Die Augen schwollen an und verengten sich zu Schlitzen. Die Nase war wahrscheinlich ganz schön rot, das konnte man im Dunkeln nicht so gut erkennen. Sie schluchzte wie eine alte Frau auf einer Beerdigung, und ihre Schultern zitterten.
Ich schlang meine Arme um sie. Die Tränen schmeckten salzig, wie auch sonst.
»Nicht weinen«, sagte ich. »Schau, du hast doch gar keinen Grund. Und am schönsten bist du, wenn du lächelst. Hör auf zu weinen. Du wirst deinen Film haben, dein Gesicht wird von den Plakaten herunterlächeln, alle werden dich kennen, und du wirst Autogramme verteilen.«
Sie schüttelte den Kopf. Ich schob sie zum Haus, dann die Rampe hoch. Sie zeigte mit der Hand, dass sie sofort in ihr Zimmer wollte. Vielleicht hatte sie Angst, gesehen zu werden, weil sie gerade mal nicht so schön war wie sonst. Vor mir wandte sie sich auch die ganze Zeit ab.
»Hör auf mit dem Quatsch«, sagte ich. »Das ist einfach lächerlich.«
»Dann nimm du deine Brille ab.«
»Du weißt nicht, was du da sagst.«
»Natürlich weiß ich das. Jetzt nimm sie ab, sie ist bescheuert.«
»Scher dich zum Teufel, Janne«, sagte ich.
Sie fuhr als Erste ins Zimmer; ich folgte, schloss die Tür und setzte mich aufs Bett.
Sie rollte zum Schrank und holte ein strahlend weißes Wolltuch heraus, das sie fröstelnd um ihre Schultern schlang. Rollte dann zum Spiegel und nahm die Haarbürste. Ich schaute ihr zu. Es gab wenig Schöneres, als einem Mädchen beim Haarekämmen zuzusehen. Am schönsten war es natürlich, wenn es das eigene Mädchen war.
»Willst du mich heiraten, Janne?« fragte ich. »Gleich oder wenn wir etwas älter sind – das ist mir ganz egal.«
Sie lachte. Das Gleiten der Bürste durch ihr schweres, glänzendes Haar hypnotisierte mich. Ich musste gähnen, dass meine Kiefergelenke knackten. Ich schnürte die Turnschuhe auf, streifte sie ab, streckte mich auf dem Bett aus und vergrub die Nase im Kissen.
Ich wachte davon auf, dass mir jemand mit der Taschenlampe ins Gesicht leuchtete. Ich versuchte sie mit der Hand wegzuschieben. Es war aber gar keine Taschenlampe, sondern ein Sonnenstrahl, also musste ich vor ihm wegrücken. Er kitzelte meine Nase, ich fuhr mit der Hand darüber und hatte plötzlich eine schwarze Haarsträhne zwischen den Fingern.
Alles fiel mir sofort wieder ein, und ich setzte mich auf.
Janne schlief neben mir. Wir hatten uns eine Decke geteilt. Sie lag darunter und ich darauf. Sie trug ein langes Nachthemd mit Spitzenbesatz. An jeder anderen hätte es absolut lächerlich ausgesehen. Jannes Haare waren zu einem Zopf zusammengebunden. An einer Schulter war das Nachthemd heruntergerutscht.
Es
Weitere Kostenlose Bücher