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Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Titel: Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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Wiese auf und stapelte sie auf dem Tisch. Aus der Dunkelheit tauchten vier magere Katzen auf. Sie saßen nebeneinander am Rand der Wiese, richteten ihre leuchtenden Augen auf uns und miauten. Janne fischte einen Käsewürfel aus dem Salat und warf ihn ihnen zu. Sie stürzten sich alle gleichzeitig darauf, ein wildes fauchendes Knäuel.
    »Ich glaube, ich muss ins Bett«, murmelte Friedrich, den Kopf auf die gekreuzten Arme gelegt.
    Es war kalt geworden. Janne fuhr mit den Handflächen fröstelnd über ihre nackten Oberarme. Marlon stand auf und ging über die Wiese, bis er in der Dunkelheit verschwand. Richard sah ihm hinterher.
    »Für ihn macht es keinen Unterschied«, sagte ich, »ob es Tag oder Nacht ist.«
    Ich stand auf und stellte mich hinter Janne. Diesmal legte ich die Hände nicht auf die Griffe, sondern auf ihre Schultern. Dass ich sie schon einmal berührt, sogar geküsst hatte, schien eine Ewigkeit her zu sein.
    Janne warf den Kopf zurück. Ich beugte mich über sie und berührte ihre Stirn mit meinen Lippen. In der Dämmerung waren ihre Augen abgründig dunkel, und sie sah aus wie ein ganz anderes, fremdes Mädchen. Sie protestierte nicht, als ich sie erst auf die Nasenspitze küsste und dann bei ihren Lippen ankam. Sie schmeckten nach dem Salatessig, ich fuhr mit der Zungenspitze drüber.
    Dann richtete ich mich auf und stellte fest, dass Richard ein Gesicht machte, als hätte er Zahnschmerzen. Ich wusste nicht, warum ich mich gegenüber Richard für irgendetwas rechtfertigen müsste, und beugte mich wieder über Jannes zurückgeworfenes Gesicht. Ihre Lippen öffneten sich.
    »Schade«, sagte sie.
    »Was ist schade?«
    »Dass die Kamera nicht läuft.«
    »Sei nicht so kamerageil.« Ich küsste sie wieder. Aber sie tat mir plötzlich leid, also versuchte ich es mit mehr Einfühlungsvermögen. »Wahrscheinlich würde man jetzt sowieso nichts erkennen.«
    Marlon war aus der Dunkelheit aufgetaucht. Fast hätte ich gebrüllt, so lautlos hatte er sich genähert. Und aus einer ganz anderen Richtung als der, in die er ursprünglich verschwunden war.
    Fass sie nicht an, dachte ich, und meine Finger umklammerten Jannes Schulter so fest, dass ich ihr wahrscheinlich wehtat, aber sie gab keinen Laut von sich. Jetzt war ich hier.
    Janne hielt den Atem an. Marlon wandte sich ab und ging auf den erkaltenden Grill zu.
    »Richard?« rief er leise.
    »Hier.«
    »Kann ich was helfen? Aufräumen und so?«
    Richard überlegte kurz. Meine Hand rutschte von Jannes Schulter.
    »Nicht viel. Auf der Wiese liegt ein bisschen Müll, könntest du?«
    »Klar«, sagte Marlon.
    »Ginge auch morgen.«
    »Spielt keine Rolle.«
    »Eben.«
    Marlon lief mit langsamen Schritten um den Tisch herum – ich zog Jannes Rollstuhl aus dem Weg –, trat auf ein Stück Alufolie, hob es auf und warf es auf den Tisch. Ich konnte noch eine Plastiktüte und einen Pappteller sehen, sagte aber nichts. Ich fühlte mich auf einmal schuldig und weigerte mich zu begreifen, wieso.
    Marlon wandte sich abrupt um und ging langsam, die Erde vor jedem Schritt mit der Fußspitze abtastend, in Richtung des Hauses.
    »Was ist eigentlich mit denen da?« Ich deutete auf den Guru und dann auf Kevin.
    »Die können hier nicht bleiben. Ist nachts zu kalt«, sagte Richard.
    »Schwer sind sie aber garantiert auch«, sagte ich.

    Richard hatte im Schuppen zwei Liegen gefunden. Wir hievten erst den Guru, dann Kevin auf die Liegen und schoben sie unters Dach. Ich holte zwei Decken aus dem Haus, und Richard breitete sie über den beiden aus. Der Guru hatte ein Gesicht, als würde er im Schlaf mit jemandem kämpfen. Manchmal formte sein Mund stumme Worte, und seine Hände zuckten, zu Fäusten geballt. Kevin lag ganz ruhig da und lächelte. In seinen Augenwinkeln glitzerten immer noch Tränen. Jetzt sah er einem Mädchen ziemlich ähnlich.
    »Engelchen«, sagte Janne, die neben mir war und auf Kevin herunterschaute.
    »Wer? Diese Tunte?«
    »Ja.«
    Richard rüttelte Friedrich an der Schulter. Friedrich schreckte hoch, rappelte sich auf und wanderte in Richtung des Hauses. Sein unförmiger Körper bewegte sich Richard hinterher, langsam schlurfend wie eine gigantische Schnecke.
    Und dann waren Janne und ich allein.

          Sie saß neben dem Grill und hielt ihre Finger fröstelnd über die Kohlen. Ich schob ein paar Teller auf dem Tisch zusammen. Ich war merkwürdig ruhig, und meine Hände zitterten nicht.
    »Janne«, murmelte ich. »Sag mir, was ich für dich tun kann,

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