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Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Titel: Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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angefangen, meine Nummer zu wählen, und erst im Morgengrauen damit aufgehört. Bevor ich die Nachrichten abhören konnte, las ich die einzige neue SMS. Sie kam von einer Nummer, die ich nicht kannte, und lautete: »Marek unser Papa ist tod bitte kom schnel. Ferdi«.

          Zuerst hielt ich es für einen Scherz. Jemand wollte mich reinlegen. Ein Betrüger hatte die SMS geschickt, damit ich für mehrere Hundert Euro eine Nummer zurückrief, die ins Ausland weitergeleitet wurde. Wenn diese fünf Buchstaben nicht gewesen wären. Ferdi. Ferdi, das war der kleine Sohn meines Vaters und meines ehemaligen Au-pair-Mädchens. Mein Halbbruder, den ich nie gesehen hatte. Der vor sechs Jahren das Baby auf den Fotos gewesen war. Eigentlich Ferdinand, und Claudia hatte damals geseufzt: »Wie kann man das einem Kind antun?«
    Plötzlich knickten mir die Knie ein, und ich hatte Angst, Claudias Nachrichten abzuhören. Sie hatte mir keine SMS geschickt, sie wollte es mir sicher persönlich sagen. Ich wollte es aber nicht persönlich hören. Ich wollte das Handy unters Kissen stecken, das Zimmer abschließen und frühstücken gehen. Ich wollte nichts damit zu tun haben.
    Marlon kam näher. Sollten alle behaupten, dass er blind war, ich glaubte es ihm nicht mehr. Er fragte: »Was ist?«, und ich hielt ihm das Handy mit der geöffneten SMS unter die Nase. Er rührte sich nicht.
    »Ich habe eine Nachricht bekommen.« Dann las ich sie ihm vor.
    »Was ist Ferdi?« fragte Marlon.
    »Der Sohn von meinem früheren Au-pair und meinem Vater.«
    »Dein Bruder also.«
    Ich schwieg.
    »Und ist das dieser Vater, der tot ist?«
    Ich sagte wieder nichts.
    »Hat er einen besonders schrägen Humor, dieser Bruder?«
    »Er ist noch klein«, sagte ich. »Sechs oder so.«
    »Dann musst du wohl los«, sagte Marlon. »Zur Beerdigung.«

    Ich wusste überhaupt nicht, was jetzt zu tun war. Was ich machen oder sagen sollte. Ich fühlte mich wie ein Erstklässler, der sich plötzlich ins Lehrerzimmer verirrt hatte. Ich fragte mich, ob ich überhaupt zur Beerdigung meines Vaters gehen musste, wenn wir doch zuletzt gar keinen Kontakt mehr hatten.
    Aber mein Vater war zu mir ins Krankenhaus gekommen, also musste ich jetzt wohl auch zu seiner Beerdigung.
    Ich fragte zur Sicherheit Marlon nach seiner Meinung.
    »Spinn nicht rum«, sagte er.
    Ich las noch mal die SMS durch. Sie war immer noch dieselbe. Marek unser Papa ist tod bitte kom schnel. Ferdi. Kein Buchstabe weniger.
    »Wer hat die ganze Zeit versucht, dich zu erreichen?« fragte Marlon.
    »Meine Mutter.«
    »Ruf sie zurück.«
    »Ich hab Angst.«
    »Mach. Sonst wird es noch schlimmer.«
    Ich nickte und wählte Claudias Nummer. Und sobald ihre Stimme im Hörer war, wusste ich, dass es keine Hoffnung gab, dass ich irgendetwas missverstanden hatte.

          »Ein kleiner Bruder, wie niedlich«, sagte Kevin. »Hast du ein Foto?«
    Richard sah ihn an und schüttelte den Kopf. Der Guru hielt seinen Schädel mit beiden Händen zusammen und sah immer noch nicht wirklich gut aus. Ich umklammerte mein Handy, als würde, sobald ich es losließ, noch jemand sterben.
    Claudia hatte in den Hörer geweint. Ich hatte mich eigentlich schon daran gewöhnt, dass sie überhaupt nicht mehr weinte. Ich war bereit, so ziemlich alles dafür zu geben, dass es so blieb. Und nun das.
    Ehrlich gesagt verstand ich nicht, warum sie überhaupt weinte. Warum sie »Ausgerechnet jetzt« schluchzte, als ob es heute viel schlimmer war als vorgestern oder übermorgen. Er hatte sie verlassen, und sie war längst ohne ihn glücklich. Sie hatten keinen Kontakt gehabt, zumindest ging ich fest davon aus. Sie hatte, da musste ich großzügig sein, immerhin ihren Dirk.
    »Ach, Marek«, sagte sie, nachdem ich sie danach gefragt hatte. »Du hast wirklich keine Ahnung.«
    Ich saß am Frühstückstisch, und alle sahen mich an. Höchst betroffen und mitfühlend, und am liebsten hätte ich sie angebrüllt, dass sie jetzt bitte wieder normal gucken sollten.
    »Er hat uns verlassen, als ich ganz klein war!« redete ich auf sie ein, damit dieser Ausdruck aus ihren Gesichtern verschwand. »Er hat zuletzt nicht mal mehr zu meinem Geburtstag angerufen, nur irgendwas geschickt. Es ist mir scheißegal, versteht ihr?« Keine Ahnung, warum meine Stimme sich überschlug.
    Das Komische war, dass ich Janne überhaupt nicht mehr ansah. Ich guckte nur auf Marlon. Schon als ich mit dem Telefon in der Hand an den Tisch gekommen war, hatte mein Herz bei ihrem

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