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Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Titel: Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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nichts wert.« Sie klang, als wollte sie sich entschuldigen.
    »Ich weiß«, sagte ich. »Sie haben völlig recht.«
    Die Mutter wedelte mit dem Schwanz, als könne sie sich nichts Schöneres vorstellen, als endlich von zwei ihrer drei Kinder befreit zu werden. Ich streichelte sie ein letztes Mal. Die Frau begleitete mich zum Tor.
    »Es tut mir so leid mit deinem Vater«, sagte sie, als ich schon auf der Straße stand. »Friede seiner Seele.«
    »Danke«, sagte ich.
    »Ich hätte dich aber auch so erkannt«, sagte sie. »Früher bist du immer hier vorbei in den Kindergarten gelaufen.«
    Sie schien auf eine Antwort zu warten, aber ich stand stumm da, den Korb mit den Welpen an die Brust gedrückt. Dann lächelte sie ein letztes Mal und schloss das Tor, und ich hatte sie nicht gefragt, ob sie wirklich mal ein Pferd in ihrem Stall stehen hatte.

          »Spinnst du?« brüllte Tammy. »Wie stellst du dir das vor?«
    »Ich habe es ihm versprochen«, sagte ich.
    »Du bist wirklich ein Superheld – versprichst Sachen, und ich bin dann die Böse. Was fällt dir ein? Womit soll ich den füttern?«
    »Ich zahl dir das Futter«, sagte ich. »Und ich nehme ihn immer, wenn ihr in den Urlaub fahrt.«
    »Das sagt sich so leicht!«
    Wir drehten uns gleichzeitig zum Fenster. Ferdi rannte durch den Garten. Die Welpen watschelten hinterher und kläfften begeistert. Als ich Ferdis Gesicht sah, musste ich mich sofort abwenden, damit nicht irgendetwas in mir zersprang. Ich warf einen Blick auf Tammy. Die Tränen rannen ihr übers Gesicht, aber sie lächelte.
    »Komm mit nach Berlin«, sagte ich. »Ihr müsst hier nicht bleiben. Ich werde mich um euch kümmern. So gut ich kann.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Aber was hält dich hier?«
    »Das verstehst du nicht. Und für wen ist eigentlich der Zweite?« fragte sie verschnupft. »Für dich?«
    Ich zuckte mit den Schultern. Aus irgendeinem Grund wollte ich es ihr nicht sagen. Vielleicht würde sie eifersüchtig sein. Vielleicht war aber auch das alles Quatsch.

    »Das wird eine tolle Fahrt«, sagte Tammy schadenfroh auf dem Bahnsteig. »Ich hoffe, dass der kleine Hund dich vollpinkelt und du so richtig Ärger mit den anderen Passagieren bekommst.«
    »Wird schon so kommen«, tröstete ich sie.
    Sie fragte mich nicht, ob ich nicht etwas länger bleiben könne. Das rechnete ich ihr hoch an. Ich umarmte sie und atmete tief ein, und dann hörte ich sie heiß in mein Ohr flüstern.
    »Ich werde ihn immer lieben.«
    »Ich weiß.«
    Ich rüttelte an der Tür der Regionalbahn, die scheppernd angefahren war. Nur sechs Stunden und zwei Mal umsteigen, und schon war ich zu Hause. Ich fand ein leeres Abteil und stellte den Korb mit dem Hund auf den Sitz. Über den Kopflehnen war ein zerkratzter Spiegel. Der Korb begann verdächtig zu wackeln, also stellte ich ihn auf den Boden. Dann öffnete ich das Fenster und lehnte mich raus.
    »Geh nach Hause«, sagte ich zu Tammy, die in ihrem kurzen Kleidchen bibbernd auf dem Gleis stand.
    Sie nickte und rührte sich nicht vom Fleck. Mir wäre es lieber gewesen, wenn sie einfach gegangen wäre. So konnte ich mich nicht richtig hinsetzen, ich musste sie anschauen, daran denken, dass sie vielleicht aus reinem Pflichtgefühl wartete und in Wahrheit nur an die Parkuhr dachte. Aber sie blieb beharrlich stehen, bis der Zug abfuhr, und winkte, und ich winkte zurück. Dann konnte ich sie nicht mehr sehen.
    Der Welpe hatte es geschafft, aus dem Korb zu klettern. Er entdeckte meinen Schuh und wedelte so eifrig mit seinem winzigen Schwanz, als hätte er ihn schon die ganze Zeit furchtbar vermisst. Ich fing ihn wieder ein und setzte ihn in den Korb zurück.
    Durch das geöffnete Fenster zog es. Ich schob es wieder zu und wuchtete meinen Koffer auf die Gepäckablage. Ich freute mich auf Claudia. Ich hatte ihr einiges zu sagen. Aber ich ahnte, dass meine Rede, bis ich in Berlin angekommen war, auf ganz wenige Wörter zusammengeschrumpft sein würde.
    Und die würde ich sowieso nicht aussprechen.
    Ich drehte mich zum Spiegel und nahm die Brille ab.

Das Buch
    Die atemberaubende Geschichte vom Jungen, der sein Gesicht verlor – komisch, traurig und böse

    Alina Bronsky erzählt vom Aufbruch aus der Isolation, von der Hoffnung auf Verständnis, von der Sehnsucht, als der erkannt zu werden, der man wirklich ist – und damit von allem, was das Erwachsenwerden ausmacht. Rasend komisch und herzzerreißend traurig, niemals weinerlich, aber immer wieder herrlich böse.
    Marek

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