Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition)

Titel: Nenn mich einfach Superheld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
Vom Netzwerk:
sondern diejenige, die ich gewohnt war. Mit dem Lippenstift hatte sie schon wieder knapp ihre natürlichen Lippenkonturen verpasst.
    »Steh auf, es ist schon zehn«, sagte sie. Ich schluckte die Bemerkung herunter, dass ich fast die ganze Nacht auf den Beinen gewesen sei. Irgendetwas sagte mir, dass sie ausgerechnet bei Claudia nicht ziehen würde.
    »Tammy und Ferdi sind auch schon wach.«
    »Und?«
    »Und dein Vater ist tot.«
    Ich sagte nicht, dass er das sicher auch noch zwei Stunden später sein würde. Seit ich gestern ihre Schultern unter meinen Händen gespürt und den grauen Haaransatz an ihrem Scheitel gesehen hatte, hatte ich keine Lust mehr, den Klugscheißer zu spielen. Mir war eher danach, ihr einen Sessel anzubieten und eine warme Decke für die Beine.
    »Wo ist eigentlich Dirk?« fragte ich.
    »Dirk muss arbeiten. Er kommt zur Beerdigung«, sagte sie mit betont gleichmäßiger Stimme.
    »Toll«, sagte ich.
    »Finde ich auch«, sagte sie.

    Als ich herunterkam, saßen sie alle um den gedeckten Frühstückstisch. Tammy trug Jeans und ein enges T-Shirt und hatte ihre noch nassen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Dabei sah sie irgendwie geladen aus. Claudia berichtete, dass Tammy in aller Frühe aufgestanden sei, um fürs Frühstück einzukaufen, Brot und Butter, Käse und Milch, Honig und Marmelade und vor allem die Lokalzeitung, sie zählte das alles einzeln auf, als wäre Tammy ein geistig behindertes Kind, das zum ersten Mal allein mit dem Bus gefahren ist.
    »Das hast du toll gemacht, Tammy«, sagte ich.
    »Was soll das?« Sie knallte die aufgeschlagene Zeitung vor mir auf den Tisch.
    Ich trank langsam einen Schluck Kaffee, dann schaute ich hin.
    »Das ist die Todesanzeige, die ich auf deine Bitte hin in Auftrag gegeben habe.«
    Claudia reckte interessiert den Hals.
    »Was ist das für ein krankes Bild?« zischte Tammy.
    »Das habe ich gemalt«, sagte Ferdi.
    »Ich kann dem Kind nicht vorwerfen, dass es Strichmännchen malt, aber du bist keine sechs mehr, Marek, du müsstest doch ein bisschen Verstand unter deinen schicken Locken haben?«
    Ich griff mir verblüfft in die Haare. Locken hatte ich noch nie gehabt, die Haare wellten sich bloß etwas, wenn sie länger waren. Seit Johanna sie mit unserer Küchenschere gekürzt hatte, waren sie schon wieder ein Stück nachgewachsen.
    »Diese ganzen Kerzen, Kreuze und abgeknickten Rosen sind furchtbar«, sagte ich. »Wenn du einen Funken Geschmack hättest, hättest du es ebenfalls gleich erkannt.«
    »Wenn du einen Funken Verstand hättest, hättest du kein Strichmännchen-Porträt in die Todesanzeige deines Vaters übernommen«, schrie Tammy mit einer Stimme, die eine bösartige Attacke auf mein Trommelfell und mein ganzes vegetatives Nervensystem war. Ich hatte das Bedürfnis, mich sofort in einer schalldichten unterirdischen Höhle zu verstecken.
    »Und warum ist das alles weiß auf schwarz abgedruckt? Ist das Pfusch? Druckfehler? Oder hättest du vielleicht einmal deine Sonnenbrille abnehmen müssen, um den Unterschied zu erkennen?«
    »Alle haben schwarz auf weiß«, sagte ich.
    »Eben.«
    »Ich wollte mal was anderes. Genau umgekehrt. Es ist ein Todesfall, was ist so schlimm am schwarzen Hintergrund?«
    »Wie soll ich nach dieser Anzeige vor die Haustür treten und den Leuten in die Augen schauen? Wie soll Ferdi in den Kindergarten gehen, wenn alle Eltern seiner Freunde diese Anzeige gesehen haben? Und auch noch mit meinem Namen unterschrieben?«
    »Ich hätte dich doch schlecht weglassen können, wenn du zufällig die Witwe bist. Wir stehen alle darunter.«
    »Du bist in ein paar Tagen weg und kommst nie wieder. Und ich muss in diesem Kaff überleben, du hast meinen Ruf ruiniert!« Die ersten Worte hatte Tammy noch ruhig gesprochen, am Ende schrie sie schon wieder.
    »Vielleicht ziehst du dir, wenn du dir Sorgen um deinen Ruf machst, einmal ein Oberteil an, das deine Titten bedeckt«, brüllte ich zurück. Claudia hatte bis dahin regungslos zugehört, jetzt zuckte ein Muskel in ihrem Gesicht, und ich wusste, dass ich übertrieben hatte.
    »Verzeih mir, Tammy, das tut jetzt wirklich nichts zur Sache«, sagte ich schnell. »Deine Kleider und deine Figur sind sensationell wunderhübsch, und du hast echt total super fürs Frühstück eingekauft.«
    »Halt einfach nur die Klappe, Marek«, sagte Claudia.
    Sie streckte den Arm aus und pflückte die Zeitungsseite vom Tisch. Breitete sie vor sich aus und studierte sie minutenlang.
    »Die Angaben

Weitere Kostenlose Bücher